Jeden Tag eine gute Tat

Eigentlich bin ich schon auf dem Weg nach Hause gewesen. Die Taxischicht war nicht super, als Schulzensur hätte sie vielleicht die Note 3 bekommen. An der Tankstelle am Ostbahnhof wollte ich noch schnell das Auto waschen, aber kaum hatte ich gehalten, stieg mir ein Mann ins Auto: Kudamm. Dass mir jemand mitten auf der Tankstelle ohne zu fragen einsteigt, ist mir zwar auch noch nicht passiert, aber ok, ich bin ja schließlich zum Geld verdienen unterwegs, dann muss die Wäsche eben warten.
Vom Kudamm fuhr ich dann Richtung Norden, die Tanke in der Chausseestraße war mein Ziel, weil sie auch nachts noch Hochdruckreiniger in Betrieb hat. Als ich aber an der Bushaltestelle Budapester Straße vorbei kam, rannte eine Frau auf mich zu. Schwarz, Mitte Zwanzig und total aufgeregt. »Schnell, fahren Sie los, schnell!«, schrie sie beim Einsteigen. Ein Mann lief hinter ihr her und versuchte auf der Beifahrerseite einzusteigen, ich drückte aber auf die Zentralverriegelung und gab Gas. Im Rückspiegel sah ich, dass er mitten auf der Straße stand und mit den Armen winkte. Nach etwa 200 Metern hielt ich an und fragte, wo sie denn hin wolle. Sie konnte kaum sprechen, so panisch war sie: Zum Bahnhof Zoo.
Wir mussten wenden und nochmal an dem Mann vorbei, ich fuhr extra schnell, so dass er keine Chance hatte, nochmal an die Frau heranzukommen.
»Ich weiß nicht, was er von mir will, ich kenne diesen Mann nicht. Ich habe Angst«, weinte sie. Als wir am Bahnhof Zoo ankamen, fuhr ihr Bus gerade los. Sie zeigte mir 5 Euro und fragte, wie weit sie damit von hier weg käme. Es dauerte fast eine Minute, bis ich endlich erfuhr, wo sie eigentlich hin wollte: Zum Adenauerplatz. Sie reichte mir den Fünfer und wollte, dass ich dafür so weit fahre, wie es reicht. Ich stellte den Taxameter auf Kurzstrecke ein, schaltete aber an der Schlüterstraße wieder aus, es hätte nicht gereicht. Während der ganzen Fahrt schaute sie immer wieder nach hinten, zwischendurch fragte sie mehrmals, ob ich auch ja nicht zu dem Mann gehören würde. Natürlich versuchte ich sie zu beruhigen, aber das war kaum möglich. Nach der Hälfte der Strecke erzählte sie, dass sie mit ihrem Freund im Irish Pub war, sein Bus fuhr zwei Minuten früher und als der weg war, sei der Mann auf sie zugekommen, hätte sie festgehalten und versucht, sie an sich zu drücken. Ich schlug ihr vor, sie zur Polizei zu bringen, aber das wollte sie nicht. Am Adenauerplatz wollte sie zu einer Freundin, vorher aber bedankte sie sich ein paarmal, dass ich sie gefahren habe. »Das Gute bekommt man irgendwann wieder zurück, glauben Sie mir«.
Stimmt: Ich drehte um, damit ich endlich dem Feierabend entgegenfahren konnte – und schon winkten mich zwei Männer heran. Erst sollte ich den einen in den Hohenzollerndamm bringen und dann den anderen zum Gesundbrunnen. Die 25-Euro-Tour hat den kleinen Verlust einige Minuten vorher mehr als genug ausgeglichen. Und am Ende waren alle zufrieden – die Frau, die beiden Männer, ich – nur nicht mein Tagfahrer: Nach der Aufregung hatte ich nämlich vergessen, das Taxi zu waschen.

print

8 Kommentare

  1. GENAU DAS ist EIN Grund für mein manchmal fast schon naives Grundvertrauen (mit dem ich aufgewachsen bin) gegenüber den Berliner Taxifahrern.
    Sätze wie: „wenn irgend etwas ist, dann setz dich in ein Taxi und komm her, -oder nach Hause“, haben mich ein Leben lang begleitet. Der Taxifahrer/in mit samt seinem Taxi war für mich immer der Inbegriff von Sicherheit und Geborgenheit hier in Berlin. So gut wie alle Taxifahrten in meinem bisherigen Leben haben dieses Gefühl erhalten. Man kann fast sagen, „der Berliner Taxifahrer“ ist eine wichtige sichere Konstante in meinem Leben gewesen. Etwa so,: wenn alles über Dir zusammen bricht, dann setz Dich in ein Taxi und dann ist für diesen Moment alles gut.
    OK, das klingt jetzt alles fast schon schwärmerisch, villeicht ist es auch sehr subjektiv aber bei mir war das so.
    Wir ich schon mal hier schrieb, bin ich froh zu lesen, dass es solche Fahrer immer noch gibt und möchte diesen Fahrern hiermit mal ausdrücklich DANKE sagen! Für Ihr Da-sein, ihre Mentalität Für ihre Arbeit, ihre Ausdauer in fast jeder Hinsicht, psychologischen Qualitäten, ihre Zuverlässigkeit und vieles mehr.

  2. War ´n´ bisschen dicke wa ?
    aber ernst gemeint!
    Natürlich weiß ich, dass es auch andere Taxifahrer gibt aber die „Sorte“ Fahrer die ich meine werden sich schon angesprochen fühlen.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*