“Judengebrabbel” in Erkner

Es gibt Orte, von denen erwar­tet man nichts Gutes. Deshalb hat mich auch die Nach­richt nicht über­rascht, dass an der Johannes‑R.-Becher-Schule in Erkner eine Dele­ga­tion der Jüdi­schen Gemeinde Berlin mit dem Spruch “Kein Bock auf Juden­ge­brab­bel” empfan­gen wurden. Die Gäste brachen darauf­hin ihren Besuch ab und fuhren nach Berlin zurück. Nun äußerte sich die stell­ver­tre­tende Schul­lei­te­rin, dass es ja nur ein paar Schü­ler waren, von denen die Belei­di­gun­gen ausgin­gen und diese auch nicht anti­se­mi­tisch gemeint sein sollen. Leider vergaß sie zu erklä­ren, was damit statt­des­sen  gemeint war. Es hörte sich doch alles sehr nach Ausrede an.

Wie schon damals in den Neun­zi­gern, glei­che Stadt, glei­che Schule: Zwei Freunde von mir, Punks, waren dort eben­falls Schü­ler. Damals gab es in der Schule eine Gruppe junger Neona­zis, die ihnen immer wieder zusetz­ten. Belei­di­gun­gen, Bedro­hun­gen, tätli­che Angriffe waren normal. Als die Schul­lei­tung davon erfuhr, spielte sie das Problem herun­ter, man gab den Jungs sogar eine Mitschuld, aufgrund ihres Äuße­ren. Es war die glei­che Verharm­lo­sung wie jetzt wieder.
Damals aber reagier­ten wir. Mit ein paar Freun­den warte­ten wir zu Schul­schluss am Tor, unauf­fäl­lig, und beob­ach­te­ten die Gruppe. Als meine Freunde an den Jungna­zis vorbei gingen, wurden sie sofort wieder ange­grif­fen. Dies­mal jedoch gingen wir dazwi­schen, nicht fried­lich, sondern mit Fäus­ten. Obwohl sie in der Über­zahl war, rannte die Gruppe panisch über den Schul­hof, beglei­tet von höhni­schem Geläch­ter vieler ande­rer Schü­ler. Die freu­ten sich, dass endlich mal die Rech­ten rennen muss­ten. Denen passierte nichts, weil wir ihnen nicht ins Schul­ge­bäude folg­ten.
In der Nacht kamen wir noch­mal wieder. Wir kleb­ten an der Schule und deren Umkreis Plakate, auf denen wir die Aktion erklär­ten. Darin schrie­ben wir, dass es uns nicht darum ging, die Gruppe zu verprü­geln, sondern ihnen deut­lich zu machen, dass sie ihre Aktio­nen künf­tig sein lassen soll­ten. Das haben sie dann auch getan. Außer­dem klag­ten wir die Lehrer an, dass sie alle­samt auf den Terror der Rech­ten nicht reagier­ten und die Opfer allein ließen.
Die Schul­lei­tung jedoch meinte, sich nicht um die rechts­ra­di­ka­len Schü­ler kümmern zu müssen, sondern um uns. Einer meiner Freunde erhielt eine Anzeige und sollte gezwun­gen werden, unsere Namen zu nennen, was er natür­lich nicht tat. Gegen die Rech­ten wurde auch weiter­hin nichts unter­nom­men.

Einige Jahre später hörte ich, dass an der glei­chen Schule wieder eine rechte Gruppe Angst verbrei­tet, eine Schü­ler­ge­nera­tion später. Es würde mich nicht wundern, wenn die Schul­lei­tung genauso reagiert hat, wie damals und auch jetzt wieder: Verharm­lo­send.
Eine Schule hat natür­lich nur begrenzte Möglich­kei­ten, die Jugend­li­chen zu beein­flus­sen. Wenn sie aber Belei­di­gun­gen und Angriffe auf andere Schü­ler igno­riert und herun­ter­spielt, macht sie sich mitschul­dig. Und sie muss sich fragen lassen, wieso sie sich so verhält.

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2 Kommentare

  1. Gewalt ist nie nicht berech­tigt. Das würde auch den Begriff Recht ad absur­dum führen.
    Sie gehört aber offen­sicht­lich genauso zum Mensch sein wie Liebe und Güte.

    Auch denke ich das Lehrer an solchen Schu­len irgend­wann aufge­ben (müssen). Man ist wohl einfach über­for­dert und eine Unter­stüt­zung, in welcher Form auch immer, erfährt man auch nur, wenn mal wieder was passiert ist.

    Eigent­lich ist das Alles doch nur ein großes Rumge­schiebe. Eltern schie­ben es auf die Lehrer, Lehrer schie­ben es auf die Schü­ler (und Eltern), Schü­ler schie­ben es auf…

    … und darüber trohnt die Poli­tik und weiß eigent­lich auch keinen Rat. :(

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