Rockstraßen

Es ist ja nicht selten, dass Straßen nach Musikern benannt werden. In der Regel sind das aber klassische Komponisten, allein Beethoven und Mozart haben in Berlin jeweils sechs Straßen.
Anders sieht es jedoch bei Musikern der Gegenwart aus. Gerade mal zwei Straßennamen erinnern an Musiker, die in den 1990er Jahren gestorben sind. Sicher, es wird auch später keine Rammsteinstraße geben und auch dass die von ihm gewünschte Wolf-Biermann-Allee wirklich mal gebaut wird, ist zu bezweifeln. Aber Tamara Danz und Frank Zappa, das ist völlig in Ordnung.

Tamara Danz

Verdient hat Tamara Danz ihre Straße auf jeden Fall, die ausgerechnet an einem großen Veranstaltungsort liegt, der allerdings erst nach ihrem Tod gebaut wurde. Die Mehrzweckhalle Friedrichshain („Anschutz-Arena“ oder auch „O2-World“) steht auf einem einstigen Lagerhausgelände, auch die Tamara-Danz-Straße wurde neu angelegt.
Die in Thüringen geborene Tamara Danz war wohl die bekannteste Rocksängerin der DDR. Ihren osteuropäischen Namen bekam sie von ihrem russisch-affinen Vater, mit dem sie in Bulgarien und Rumänien aufwuchs. Volljährig geworden zog sie nach Berlin und sang Anfang der 70er Jahre im Oktoberklub. In Friedrichshain machte sie ihre Ausbildung in Tanzmusik und Gesang. Das war in der DDR die Voraussetzung dafür, um von der eigenen Musik leben zu dürfen.
1978 stieß sie zu der Rockband Famlile Silly (ab 1980 nur noch Silly), die kurz zuvor gegründet worden war. Alle Alben wie „Mont Klamott“ oder „Bataillon d’Amour“ wurden Verkaufserfolge, sieben Mal wurde Tamara Danz zur besten Rocksängerin des Jahres in der DDR gewählt.
Dabei war die Band nicht angepasst, 1984 wurde sogar ein ganzes Album der Band verboten. Im Herbst 1989 war sie Mitinitiator und Erstunterzeichner der „Resolution von Rockmusikern und Liedermachern“ und trat vor Hunderten von Oppositionellen in der Rummelsburger Erlöserkirche auf.

Tamara Danz war die schrillste Musikerin des Landes. Ihre langen, zu wirklich allen Seiten abstehenden Haare, ihr manchmal übelst dunkel geschminktes Gesicht, ihre Lederklamotten, ihre Bewegungen auf der Bühne, all das erinnerte an den jungen David Bowie, aber nicht an ostdeutsche Kultur.

Wie auch für andere DDR-Bands kam mit der Wende ein Bruch, Plattenfirmen und Musikverlage unterstützen den „Ost-Rock“ nicht. Und viele einstige Fans gingen erstmal in Konzerte von westdeutschen Bands. Das änderte sich aber wieder, als Silly 1996 das Album „Paradies“ veröffentlichte. Gerade zu einer Zeit, als es überall in Ost- wie in West-Deutschland rassistische Anschläge und Überfälle auf Immigranten und Flüchtlinge gab, sag Tamara Danz „Gib mir Asyl, hier im Paradies, hier kann mir keiner was tun.“ Die Lieder von Silly hatten immer viel mit der Realität zu tun, wie in dem Lied über „Die verlor’nen Kinder in den Straßen von Berlin“ über das Leben in den Plattenbau-Siedlungen von Staaken oder Hellersdorf.
Ich selber habe Tamara zehn Jahre vorher in ihrer damaligen Wohnung im Prenzlauer Berg kennengelernt, eine überaus warmherzige Frau, die mir gefühlt 20 Mal ihren Tee eingeschenkt hat. Und die über jeden Scheiß diskutieren wollte.

Im Jahr 1995 war klar, dass sie nicht mehr lange zu leben hat, der Krebs war zu weit fortgeschritten. Sie pendelte noch zwischen der Wohnung am Gendarmenmarkt und dem Haus in Münchehofe, östlich von Berlin, wo noch ihre Mutter lebte. Am 22. Juli 1996 starb sie im Alter von nur 43 Jahren in ihrer Wohnung, noch in der gleichen Woche folgte ihr die Mutter.
Zehn Jahre nach dem Tod von Tamara Danz erhielt die Straße ihren Namen. Die Gruppe Silly spielte „Bataillon d’Amour“ und „Asyl im Paradies“.

Frank Zappa

Wesentlich bekannter war der Komponist und Musiker Frank Zappa, der mehr als 60 Alben produzierte. Auch er war schon als Kind multikulturell beeinflusst, hatte sizilianische, griechische, arabische und französische Vorfahren und zog als Kind oft um. Sein musikalischer Anfang war in einer Schülerband, schon damals schrieb er teilweise unkonventionelle, aber auch klassische Orchestermusik. In den USA der 50er Jahre hatten aber die Unangepassten einen schweren Stand. Erst zehn Jahre später wurde Frank Zappa mit seiner Band „The Mothers of Invention“ zu einem wichtigen Teil der neuen Jugend- und Studentenbewegung. Zappa war eine Kultfigur der Undergroundmusik, die konservative Gesellschaft sah in ihm eine Bedrohung, so dass er wegen seiner Musik auch im Knast landete.

Bis zum Schluss stand Frank Zappa für musikalische Experimente, sowohl was die kulturellen Hintergründe vieler Stücke betrifft, als auch die Architektur der Arrangements. Klassische Momente, Free-Jazz, Doo-Wop, Punk, osteuropäische Folklore flossen in seine Werke ein. DAS typische Zappa-Stück gibt es nicht.
Frank Zappa starb im Dezember 1993 im Alter von 53 Jahren ebenfalls an Krebs.

Die Frank-Zappa-Straße im westlichen Marzahn, neben der Landsberger Allee, war zu DDR-Zeiten ein Bürohaus der Firma ORWO-Film. Heute beherbergt es zahlreiche Proberäume und Musiker, hier werden Konzerte und andere musikalische Events veranstaltet.
Früher hatte die Straße nur die Nummer 13. Auf Antrag der Musikfabrik ORWO Haus erhielt sie am 28. Juli 2007 ihren neuen Namen Frank-Zappa-Straße.

Bleibt zu hoffen, dass auch künftig im Berlin Straßen nach Musikern aus unserer Zeit benannt werden.

print

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*