Glühwürmchen am Adlon

Manch­mal traut man ja seinen Augen nicht. Wenn der Tag schon sehr alt ist, die Welt rund ums Taxi leer und leise, und die Gedan­ken sich ihren eige­nen Weg suchen, durch die diver­sen Dimen­sio­nen des Daseins. Also nachts. Vor vielen Jahren sah ich plötz­lich mitten in Schö­ne­berg einen Fuchs über die Straße rennen — damals war das noch was Beson­de­res, anders als heute. Ich brauchte einen Moment, um zu reali­sie­ren, dass das wirk­lich ein Fuchs war.
Ähnlich ging es mir vergan­gene Nacht, als ich am Pari­ser Platz stand und mein Blick durch die Gegend wanderte. Auf dem Mittel­strei­fen, vor dem Eingang zur U‑Bahn, stehen einige Sitz­bänke. Es war kalt und hatte gereg­net, kein einzi­ger Mensch war zu sehen.

Meine Augen blie­ben an einer der Bänke hängen.
Was war das dort?
In der Dunkel­heit blinkte und schim­merte es, ganz kleine, schwa­che Lich­ter, die sich schnell zu bewe­gen schie­nen. Zehn, dann plötz­lich 30, 40, eine Sekunde später gar keine. Das Schau­spiel ging aber sofort weiter, es war, als wenn sich ein Haufen Glüh­würm­chen hier mitten in der kalten Febru­ar­nacht zu einer Versamm­lung verab­re­det hätten.
Etwa eine Minute lang schaute ich mir das an, dann riss mich ein Funk­auf­trag hoch.
Auf dem Weg zu meinem Fahr­gast über­legte ich, was das wohl gewe­sen sein mag. Viel­leicht eine Lampe am ande­ren Endes des Plat­zes und dazwi­schen ein Gebüsch? Durch das Gestrüpp und die Latten der Bank könnte sich das Licht in vielen klei­nen Punk­ten seinen Weg gesucht haben.
Was auch immer es aber war — eines ganz sicher nicht: Ein Fuchs.

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Zufallstreffer

3 Kommentare

  1. Warum war ein Fuchs in Schö­ne­berg damals was beson­de­res? Hat da die Mauer noch gestan­den, so dass es selbst die frei leben­den Mitge­schöpfe schwer hatten, nach (West-)Berlin rein­zu­kom­men? Wie kommt es, dass wild­le­bende Tiere mitten in der Stadt heut­zu­tage ganz normal sind, aber damals nicht?

  2. Zumin­dest bis weit in die 90er Jahre rein waren Füchse in der Innen­stadt sehr unge­wöhn­lich. Aber mit der Mauer hat das sicher nichts zu tun, aber die Gründe weiß ich auch nicht.

  3. Früher waren Füchse inner­halb der Mauer wohl eher selten. Im Innen­stadt­ge­biet der Städte (vor allem, wenns da viel Grün gibt) gabs aber tradi­tio­nell schon immer viel Vieh­zeugs. Mit Mardern (ich meine jetzt nicht die zwei­bei­ni­gen Auto­kna­cker) gabs immer schon Zauber, der Fuchs in Schö­ne­berg lief einmal in Spuck­weite an mir vorüber, auf Industriebrachen/Gleisanlagen tummeln sich reich­lich Karnig­gels.
    Das war schon immer so, es hat sich nur niemand drüber aufge­regt.
    Jetzt (wo der Durch­schnitts­ber­li­ner noch nie eine Kuh in Echt gese­hen hat) fällt es einem nur stär­ker auf.

    Glüh­würm­chen werden in der Stadt aber leider immer selte­ner (zuviel Licht).

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