Taxi-Blockwarte

In alten Filmen über’s Taxi­ge­werbe sieht man sie noch, aber heute stehen sie längst auf der Liste der ausster­ben­den Arten. Platz­hir­sche vom alten Schlage. Einige wenige haben über­lebt, sie kann man an den Bahn­hö­fen Pankow und Lich­ten­berg beob­ach­ten, auch am Bahn­hof Span­dau, wo sie aber in der Menge von ande­ren Taxi­fah­rern nicht so sehr auffal­len.
Diese Platz­hir­sche sind meist unan­ge­nehme Gesel­len. Noch in den 80-er Jahren konnte man beob­ach­ten, wie sie einzelne Taxi­fah­rer vom Halte­platz wegschick­ten, weil ihnen deren Friseur, Klei­dung oder Aufkle­ber am Koffer­raum nicht pass­ten. Noch zehn Jahre vorher soll es deshalb sogar zu Schlä­ge­reien gekom­men sein.
Wegen seines Ausse­hens wird heute zwar niemand mehr vertrie­ben, aber einige der Herren haben bis in unsere Zeit über­lebt. Sie gebär­den sich als Block­warte und lassen einen ihre Abnei­gung spüren. In den 90-er Jahren war es bei ihnen beliebt, Fahrer von der “ande­ren” Seite der längst abge­ris­se­nen Mauer zu dissen. Selbst das gibt es verein­zelt heute noch. Da wird man als “Wessie” oder “Ossie” beschimpft, die dümms­ten Vorur­teile haben hier noch eine sichere Heim­statt. Kana­cken, Neger, Schlam­pen und Schwuch­teln sind noch gebräuch­li­che Begriffe. Andere Taxis werden hier als Eindring­linge betrach­tet — und behan­delt. Da kommt es vor, dass die Autos nicht aufrü­cken, damit man nicht mehr auf die Halte fahren kann. Brau­chen Einstei­ger mehr als ein Taxi, werden Kolle­gen von hinten heran gewun­ken. Oder einer von ihnen ruft an der Taxi­säule an und bestellt einen zu einer Adresse, wo niemand wartet.
Diese Dorf­kut­scher sehen “ihre” Taxi­halte als ihr Terri­to­rium an, das sie vertei­di­gen müssen. Am Liebs­ten würden sie es wohl noch mit Duft­mar­ken abste­cken.
Das Übelste ist mir jedoch nachts am Taxi­stand Bahn­hof Grünau passiert, wo ich wegen einer Vorbe­stel­lung wartete. Kurz nach­ein­an­der kamen zwei weitere Taxis an, deren Fahrer sich kurz unter­hiel­ten. Dann kamen sie zu mir und frag­ten, was ich dort will. “Ich warte auf einen Auftrag”, antwor­tete ich. “Hier gibt es keine Aufträge. Hau ab!”
Natür­lich blieb ich stehen. Plötz­lich riss der andere meine Seiten­tür auf, hielt mir seine Faust vor’s Gesicht und schrie mich an, dass ich sofort verschwin­den soll, sonst würde was passie­ren.
Bei manchen Leuten merkt man deut­lich, dass sie zu den vielen ehema­li­gen Stasi-Leuten gehör­ten, die heute Taxi fahren.

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7 Kommentare

  1. Genau diesen Kolle­gen ist ein mir bekann­ter Fahrer auch schon öfter an jenem Bahn­hof über den Weg gefah­ren. Er ist einer von den “Kana­ken”, die sich dort nicht mehr blicken lassen sollen. Er nimmt’s schein­bar gelas­sen und wartet auf deren Ausster­ben. Am Bahn­hof Grünau …

  2. “…gebä­ren sich als Block­warte…” Ob sich die Typen vermeh­ren oder doch ausster­ben, weiss ich nicht. Aber schwan­ger war bestimmt noch keiner, sofern männ­lich :-)

  3. @Klaus
    Klar bin ich wegge­fah­ren. Egal was ich gemacht hätte, die beiden einzi­gen “Zeugen” wären diese Kolle­gen­schweine gewe­sen — schlechte Karten für mich.

    Offen­bar handelt es sich dort immer um die glei­che Vorbe­stel­lung, deshalb wuss­ten sie bescheid.

  4. Was sagt eigent­lich die Taxi­in­nung zu so einem Verhal­ten? Kann man sich nicht mal als Taxi­fah­rer dahin­stel­len und noch mal so ein Thea­ter produ­zie­ren, nur dies­mal mit einge­schal­te­tem Mobil­te­le­fon, verbun­den mit der Taxi­in­nung?

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