In der Nacht zum 2. Juni wurde der 65-jährige Walter Lübcke, Präsident des Regierungspräsidiums Kassel, vor seinem Wohnhaus erschossen. Dieser Tod wirft Fragen auf und legt die Vermutung nahe, dass Neonazis ihn ermordet haben. Denn angedroht haben sie ihm das schon oft.
Der CDU-Mann Walter Lübcke hat sich im Sommer 2015 aufgrund christlicher Werte für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. Als er bei einer Bürgerversammlung von Rechtsradikalen beschimpft wurde, sagte er: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen, wenn er nicht einverstanden ist.“ Daraufhin begann ein Shitstorm gegen ihn, mit zahlreichen Anfeindungen, darunter auch Todesdrohungen. Lübcke stand deshalb eine Zeitlang unter Polizeischutz.
Rechtsextreme Medien veröffentlichten auch seine Wohnadresse, teilweise mit eindeutiger Aufforderung, bei ihm vorbeizuschauen. In den Kommentaren z.B. der rechtsradikalen pi-news wurde er offen bedroht. Genauso feiern Neonazis in den letzten Tagen den Tod Lübckes. Spott und Häme wird über ihn ausgeschüttet, selbst ein AfD-Kreisverband postet seine Freude über das Ende des Mannes.
Walter Lübcke wurde erschossen, eine Waffe ist bisher nicht aufgetaucht. Die Umstände des Todes, die Reaktion in den rechten Medien, das erinnert stark an die Morde der Terrorgruppe NSU zwischen 2000 und 2007. Die Täter von damals sind tot oder sitzen heute im Gefängnis. Aber schon während des Strafprozesses gegen mehrere Beteiligte wurde deutlich, dass es sich nicht nur um das „Terror-Trio“ handelte, sondern dass es auch weitere ähnliche Gruppen gibt.
Auch wenn noch nichts bewiesen ist: Es ist erstmal davon auszugehen, dass es sich bei der Ermordung von Walter Lübcke um ein politisches Attentat handelt, um eine Hinrichtung durch Neonazis. Und leider erinnert auch die Reaktion der Polizei an die Zeit der NSU-Morde: Das Landeskriminalamt sagte, es ermittle „in alle Richtungen“. Vielleicht wäre es angebracht, vor allem rechts zu ermitteln.
[Update 20.6.2019]
Mittlerweile gehen die Behörden davon aus, dass Lübcke vom Neonazi Stephan Ernst aus Kassel ermordet wurde. Von ihm wurden am Tatort DNS-Spuren gefunden. Ernst hat engen Kontakt zum Terrororganisation Combat 18 und war erst vor drei Monaten bei einem konspirativen Treffen gewalttätiger Neonazis beobachtet worden. Er hat die Tat bereits gestanden.
Tatsächlich besteht die Gefahr, dass sich Neonazis wieder unerkannt wegducken können, falls sie die Täter sind. Ich glaube nicht, daß sich das Bewußtsein bei der Polizei bzw. Verfassungsschutz seit NSU wirklich verändert hat. Das sieht man ja in den letzten Monaten in Sachsen.