Sex and Drugs and Rock’n’Roll

“An die Fahrt wirst du dich sicher noch lang erin­nern”, lachte mich meine Fahr­gäs­tin beim Ausstei­gen an. Da hatte sie wohl recht.

Eine Stunde zuvor war sie mir am Adenau­er­platz ins Auto gestie­gen: Lange Dread­locks, extrem hibbe­lig, und während der gesam­ten Fahrt am reden, lachen, tele­fo­nie­ren. Aus dem Schwall von Ansa­gen habe ich raus­ge­hört, dass wir wohl den kommen­den Teil unse­res Lebens gemein­sam verbrin­gen werden und dass sie zur Grenz­al­lee wollte. Dort sollte ein Auto auf sie warten, oder ihr Freund, aber sie wollte trotz­dem weiter­hin mit mir fahren. Na, ich war gespannt.
Über die Auto­bahn fuhren wir erst­mal nach Neukölln. In den weni­gen Minu­ten erfuhr ich mehr über ihr Leben, als mir lieb war. Nur soviel: Sie hatte sich vor Kurzem von ihrem Freund getrennt (“Rainer oder Rein­hard oder so”), weil er mit ihrer Freun­din rumge­macht hatte und nun ist er auch mit der zusam­men. Am Ende unse­rer Fahrt aber trifft sie sich mit ihm, um dann zusam­men ins Bett zu gehen. So ist das mit der Liebe. In ihrer Erzäh­lung kamen noch einige andere Perso­nen vor, die habe ich aber schon verdrängt.

Zur Grenz­al­lee kann man die Auto­bahn über zwei verschie­dene Abfahr­ten verlas­sen. Da sie nicht genau wusste, wohin wir muss­ten, fuhren wir schon an der Busch­kru­g­al­lee ab und dann lang­sam durch die gesamte Straße. Alles sah aber ganz anders aus, als sie sich erin­nern konnte. Ganz am Ende fiel ihr ein, dass wir ja eigent­lich in die Sonnen­al­lee muss­ten, die hier quer verlief. Schön, immer­hin auch eine Allee. 200 Meter weiter fanden wir dann auch ihr Auto.
Genau genom­men war es ein Miet­wa­gen, den sie nun in die Diesel­straße fahren musste, nur ein paar hundert Meter weiter. Danach wollte sie mit mir weiter nach Neukölln rein.

Nach­dem meine Fahr­gäs­tin ihr Auto in der Diesel­straße abge­stellt hatte, suchte sie den Brief­kas­ten, um den Schlüs­sel einzu­wer­fen. Zu sehen war an der Haus­wand nur ein heller Fleck, an dem sicher mal ein Kasten hing. Es dauerte rund fünf Minu­ten, bis wir gemein­sam den — hoffent­lich — rich­ti­gen Brief­kas­ten entdeckt hatten. Wieder tele­fo­nierte sie, dies­mal mit der Freun­din (siehe oben).

Wieder im Taxi kamen wir nicht weit. Neben dem Hotel Estrel fiel ihr ein, dass unter dem Auto­sitz ja noch ein Päck­chen mit Gras liegt. Darauf wollte sie nicht verzich­ten, also machte ich einen U‑Turn und fuhr zurück zum Brief­kas­ten. Während die Dame daran rumfum­melte, um irgend­wie den Auto­schlüs­sel wieder raus zu krie­gen, gleich­zei­tig aber noch tele­fo­nierte, kamen zwei arabisch spre­chende Männer an und blie­ben direkt am Haus stehen. Eigent­lich spra­chen sie nicht mitein­an­der, sondern sie brüll­ten sich gegen­sei­tig an. Ich stand unmit­tel­bar dabei, neben dem Taxi, da schrie mich einer der beiden an, ob ich wohl mithöre. “Wohl kaum”, antwor­tete ich und ging zu meinem Fahr­gast. Sie versuchte immer noch, den Schlüs­sel raus zu bugsie­ren. Mit der abge­schraub­ten Antenne des Taxis versuchte ich nun auch, irgend­wie den Schlüs­sel­ring zu erwi­schen. In diesem Moment hielt ein Poli­zei­wa­gen direkt am Haus, meine Lady bekam Panik. Was hätte man auch sagen sollen? Viel­leicht: “Wir klauen hier einen Schlüs­sel, um Gras aus dem Auto zu holen”?
Die Poli­zis­ten leuch­te­ten kurz mit einer Taschen­lampe zu uns, wand­ten sich dann aber an die beiden Araber, die sich offen­bar von den Beam­ten nicht in ihrer Ausein­an­der­set­zung stören lassen woll­ten. Dann bekam ich den Schlüs­sel zu fassen und trium­phie­rend stie­gen wir ins Taxi, fuhren zum Miet­auto und holten den Stoff heraus. Als sie den Schlüs­sel zum zwei­ten Mal einwarf, sahen wir, wie die beiden Männer gerade im Poli­zei­wa­gen wegge­bracht wurden.

Meine Dame fummelte in ihrer Hand­ta­sche herum, nach und nach landete alles auf dem Amar­tu­ren­brett. “Mist”, mein Handy ist weg. Habe ich schon erwähnt, dass sie die ganze Zeit tele­fo­niert hatte? Ich musste nun rechts ran fahren, sie stieg aus und leerte den Rest ihrer Hand­ta­sche auf dem Beifah­rer­sitz aus. Kein Handy dabei. Ich schlug vor, zurück zum Brief­kas­ten zu fahren, viel­leicht hat sie das Teil ja oben drauf gelegt. Sie sah mich an wie einen Messias, lachte wieder, stieg ein — und warf dabei das Handy auf die Straße, das offen­bar neben dem Sitz gele­gen hatte.

Nun gings also weiter zur Flug­ha­fen­straße. Sie rief ihren Ex an, um ihm zu sagen, dass er nun kommen kann. Offen­bar stellte er sich etwas umständ­lich an, jeden­falls brüllte sie plötz­lich ins Tele­fon: “DU willst doch ficken. Also wirst du wohl drei Statio­nen mit der beschis­se­nen U‑Bahn fahren können, du Penner!”
Nach­dem sie aufge­legt hat, sah sie mich wieder lachend an: “Was für ein Rock’n’Roll heute. Aber du hast ja wirk­lich Geduld mit mir.”
Schließ­lich stand das Taxa­me­ter auf 32 Euro, sie gab mir 40: “Schmer­zens­geld.” Und wieder lachte sie.

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5 Kommentare

  1. Wie geil. :)
    Ich hoffe, Du konn­test die Odysee wenigs­tens ein biss­chen genie­ßen. So eine Fahrt brauch ich für meinen Blog auch mal wieder …
    Obwohl – ganz so furios muss es dann auch nicht sein.

  2. Ne, von der Drogen­be­auf­trag­ten des Bundes­tags :-)
    Insge­samt war es ja eine echt lustige Tour, auch wenn ich mir bis zum schluss nicht ganz sicher war, ob es auch mit der Bezah­lung klappt. Aber das hat’s ja — besser als erwar­tet.

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