Der Verfassungsschutz

Aufgabe des Verfas­sungs­schut­zes (VS) ist die Beob­ach­tung poli­ti­scher und reli­giö­ser Extre­mis­ten sowie die Abwehr auslän­di­scher Spio­nage. Von Anfang an seines Bestehens wird dem VS vorge­wor­fen, auf dem rech­ten Auge blind zu sein, dafür aber auf dem linken so gut zu sehen, dass er dort mehr sieht, als die Reali­tät her gibt.

Schon in den 70er Jahren war die Diskre­panz riesig: Während jede Studen­ten­gruppe links von der CDU genaus­tens beob­ach­tet wurde (selbst die dama­lige FDP-Jugend­or­ga­ni­sa­tion war davon betrof­fen), ließ man die Rechts­extre­mis­ten fröh­lich agie­ren. Nicht, dass der VS dort keine Infor­man­ten ange­wor­ben hätte, im Gegen­teil: Manche Grup­pen bestehen bis heute schät­zungs­weise zur Hälfte aus IM, wie solche Leute von der Stasi genannt wurden. Nur hat dies keine Konse­quen­zen. Denn sie sind ja nicht nur dem Geheim­dienst verpflich­tet, sondern auch ihrer jewei­li­gen Neona­zi­gruppe. Diese sog. V‑Männer (Verbin­dungs­leute) haben ihrer Ideo­lo­gie nicht abge­schwo­ren, sondern sind weiter­hin Faschis­ten. Und nicht selten finan­ziert ihr Agen­ten­lohn mit Wissen ihrer Gruppe die poli­ti­sche Arbeit mit. Dieses System funk­tio­niert seit 50 Jahren unver­än­dert. In all den Jahr­zehn­ten konn­ten Neona­zis ihre Orga­ni­sa­tio­nen aufbauen, bis hin zu großen bewaff­ne­ten Grup­pen mit teil­weise hunder­ten Mitglie­dern. Vor allem seit Mitte der 70er Jahre entstan­den soge­nannte Wehr­sport­grup­pen, auf deren Konto etli­che Über­fälle und Morde gehen. Allein die bayri­sche WSG Hoff­mann ist für mindes­tens 15 Tote verant­wort­lich. Ende 1980 wurde in Erlan­gen das jüdi­sche Ehepaar Lewin von einem WSG-Mitglied umge­bracht. Bereits im Herbst zündete ein ande­rer auf dem Münche­ner Okto­ber­fest eine Bombe, 200 Verletzte, 13 Tote, darun­ter auch einer der Atten­tä­ter. Obwohl die Gruppe Anfang dessel­ben Jahres bereits verbo­ten worden war, konn­ten die mehre­ren hundert Mitglie­der weiter­hin ihren Terror ausüben.

Solche “Wehr­sport­grup­pen” gab es auch in Berlin, die “Kampf­gruppe Priem” war eine von ihnen. Unter Führung des Nazi­ro­ckers Arnulf Priem verübte sie viele Jahre Über­fälle auf linke Tref­fen und Einrich­tun­gen, wobei es oft Schwer­ver­letzte gab. Trotz fast 40-jähri­ger Tätig­keit als mili­tan­ter Neonazi fiel dem Verfas­sungs­schutz nicht auf, dass Priem in seiner Moabi­ter Wohnung Waffen hortete, darun­ter zwei scharfe Maschi­nen­pis­to­len. Diese wurden erst 2011 zufäl­lig von der Poli­zei gefun­den, weil Priem einen Nach­barn bedroht hatte und es bei ihm eine Haus­durch­su­chung gab.

Bis heute zieht sich das “Versa­gen” des Verfas­sungs­schut­zes bei der Über­wa­chung von Neona­zis hin, wie man auch am Fall NSU sieht. Da stellt sich die Frage, ob es wirk­lich ein Versa­gen ist und nicht Absicht. Denn in solch einem Ausmaß kann man einfach nicht über Jahr­zehnte versa­gen, wenn man die Mitglie­der dieser Grup­pen tele­fo­nisch und mit Wanzen über­wacht, ihre E‑Mails kontrol­liert und vor allem eigene Leute bei ihnen hat.
Zumal es ja auch anders geht: Auf der linken Seite ist der Verfas­sungs­schutz rich­tig aktiv und das nicht nur bei den Mili­tan­ten. Bis heute werden Teile der Links­par­tei über­wacht, dazu Gegner des Stutt­gar­ter Bahn­hofs­neu­baus und Nach­bar­schafts­in­itia­ti­ven gegen Rechts­extre­mis­mus.

Ich selber bin mindes­tens 16 Jahre lang als Haus­be­set­zer und akti­ver Anti­fa­schist ausge­forscht worden, von mehr als zwei­fel­haf­ten Perso­nen. “Pisto­len-Paul” handelte mit schar­fen Waffen und nahm mich zu Einbrü­chen in Geschäfte und Knei­pen mit. Andreas Sobo stif­tete mehrere Jugend­li­che zu einem Bank­raub an, um sie einen Tag später aufflie­gen zu lassen. Alle kamen für mehrere Jahre ins Gefäng­nis, nur der Agent provo­ca­teur nicht. Welcher dieser Verfas­sungs­schutz­agen­ten hat ernst­haft poli­ti­schen oder reli­giö­sen Extre­mis­mus bekämpft oder Spione enttarnt?

Natür­lich muss sich eine demo­kra­ti­sche Gesell­schaft vor Grup­pen schüt­zen, die eine Dikta­tur errich­ten wollen. Wenn das jedoch so aussieht, dass ein Geheim­dienst Bomben legt und selber erst die Bedro­hung schafft, dann hat das mit Schutz nichts mehr zu tun. Das ist nur noch krimi­nell und die Verant­wort­li­chen müss­ten dafür verur­teilt werden.

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3 Kommentare

  1. Es bedarf wohl schon einer gewis­sen charak­ter­li­chen und poli­ti­schen Kondi­tio­nie­rung, um dort tätig zu sein.
    Welcher Art die sein sollte, ist schon in der nazi­durch­tränk­ten Grün­dungs­ge­schichte all dieser “Organe” ange­legt und Dreck zieht bekann­ter­ma­ßen Dreck magisch an.
    Eine wirk­same poli­ti­sche Kontrolle durch gewählte “Volks­ver­tre­ter” war nie gewünscht und gewollt.

  2. Schö­ner Text aber mir kommen die Verbre­chen der Linken ( RAF-Deut­scher Herbst usw. )zu kurz während die der Rech­ten detail­iert darge­stellt werden.
    Ich nehme an wenn ein Rech­ter so einen Text geschrie­ben hätte wäre es genau anders­herum.

  3. @Steffen:
    Bitte lies etwas genauer. Der Arti­kel behan­delt den Verfas­sungs­schutz und dessen Akti­vi­tä­ten im poli­ti­schen Extre­mis­mus. Und was den Terro­ris­mus betrifft, ist er eindeu­tig in den rech­ten Grup­pen aktiv.

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