Die neuen Parias

Wer sein Volk unter Kontrolle halten will, der teile und herr­sche. Schon die alten Römer haben das Prin­zip ange­wen­det und es hat bis heute Bestand. Viele Herr­schen­den haben es sich zunutze gemacht, es ging schon gegen Chris­ten, Juden und Moslems, gegen Laghaa­rige und Punks, Schwule und Lesben, Türken, Araber und Zigeu­ner. Wenn die Bild-Zeitung gegen “Florida-Rolf” und der Spie­gel gegen “Viagra-Kalle” hetzen, dann ist das im Sinne der Regie­ren­den, die — wie dann gesche­hen — die Gesetze verschär­fen konn­ten. Dabei hatten beide nur ihr Recht in Anspruch genom­men und z.B. auch im Ausland Sozi­al­hilfe bezo­gen.

Im vergan­ge­nen Jahr waren es nun “die Rumä­nen” und “die Bulga­ren”, die als Fußab­tre­ter der Nation dienen muss­ten. Einige Zehn­tau­send sind aus diesen Ländern nach Deutsch­land gekom­men, um hier zu arbei­ten. Das ist laut EU-Geset­zen ihr Recht. Und dass unter ihnen auch ein klei­ner Teil ist, der hier Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen erhält, ist eben­falls legal und belas­tet den toit­schen Staats­haus­halt kaum. Aber das ist uner­heb­lich, auf allen Kanä­len wurde gegen “die neuen Ossis” gehetzt, ihnen wurde eine beson­ders hohe Krimi­na­li­täts­rate ange­dich­tet. Und wahr­schein­lich waren sie auch für die schlechte Ernte verant­wort­lich.

Aber der Staf­fel­stab geht weiter, im Jahr 2014 gibt es neue Parias: Die Vermie­ter von Feri­en­woh­nun­gen sind nun ins Faden­kreuz gera­ten. Dabei geht es um Leute und Firmen, die Wohn­raum nicht an feste Mieter verge­ben, sondern tage­weise an Touris­ten. Und weil es da vermut­lich um mehrere tausend Wohnun­gen geht, hat die Hotel-Lobby eine Kampa­gne gegen sie gestar­tet. Mit Erfolg: In der Presse wurde das “Problem” hoch­ge­spielt, als wenn es sich bei diesen Leuten um Krimi­nelle handelt. Dabei waren und sind diese Vermie­tun­gen legal und wurden auch viele Jahre lang nicht bean­stan­det. Jetzt plötz­lich fällt dem Senat ein, dass ja der Brand­schutz, Flucht­wege usw. gar nicht wie in einem Hotel gere­gelt sind und deshalb alle Feri­en­woh­nun­gen geschlos­sen werden müssen. Die recht­li­che Grund­lage dafür ist lächer­lich, denn ein “Miss­brauch” von Wohnun­gen liegt nicht wirk­lich vor, wenn die Nutzung entspre­chend ange­mel­det wurde. Natür­lich gibt es auch in den Krei­sen der Feri­en­woh­nungs-Vermie­ter schwarze Schafe, genauso wie vermut­lich in allen ande­ren Wirt­schafts­zwei­gen auch. Aber nicht gegen diese wird jetzt vorge­gan­gen, sondern gegen alle.
Dazu kommt eine krasse Ungleich­be­hand­lung: In Berlin gibt es auch Tausende von Rechts­an­walts­kanz­leien und Arzt­pra­xen, die in Wohnun­gen unter­ge­bracht sind. Merk­wür­di­ger­weise werden sollen diese nicht geschlos­sen werden. Vermut­lich, weil diese eine stär­kere Lobby haben.

Der Beschluss des Senats ist nicht nur unge­recht und schein­hei­lig, sondern er igno­riert auch das Prin­zip des Bestand­schut­zes. Wenn es tatsäch­lich so viele betrof­fene Wohnun­gen sind, wurden viele Millio­nen von Euro inves­tiert. Es werden Hunderte von Ange­stell­ten beschäf­tigt und auch die Steu­er­ein­nah­men dürf­ten in die Millio­nen gehen.
Aber egal: Anstatt der Senat wieder in einen bezahl­ba­ren Wohnungs­neu­bau inves­tiert, wird gegen die Vermie­ter gehetzt. Nach dem Motto: “Wir machen ja was!” Doch selbst wenn die betrof­fe­nen Wohnun­gen wieder rück­um­ge­wan­delt würden, hätten die meis­ten Berli­ner nichts davon, denn viele befin­den sich in Häusern, deren Mieten für Normal­bür­ger eh kaum bezahl­bar sind.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal Vermie­ter in Schutz nehmen würde. Aber die Formen, die das jetzt annimmt, sind wider­lich: Anfang Mai hat eine “Task Force” von 34 Mann ihre Arbeit aufge­nom­men, deren Aufgabe es ist, Feri­en­woh­nun­gen auszu­kund­schaf­ten, damit dann gegen die Vermie­ter vorge­gan­gen werden kann. In der Presse wird zur Jagd aufge­ru­fen (Berli­ner Zeitung: “schlag­kräf­tige Truppe für die ganze Stadt”), die “Tricks der ille­ga­len Vermie­ter” werden entlarvt, die Bürger zur Denun­zia­tion aufge­ru­fen. In eini­gen Stadt­tei­len haben sich sogar Kiez-Initia­ti­ven gebil­det, die diese Jagd koor­di­nie­ren.

Was kommt als Nächs­tes? Ziehen sie dann nachts mit Fackeln zu den Wohnun­gen, um sie nieder­zu­bren­nen? Werden die Vermie­ter mit einem Schild um den Hals an den nächs­ten Baum gebun­den?
Denun­zia­tion und die Verfol­gung unlieb­sa­mer Teile der Bevöl­ke­rung hat in Deutsch­land eine lange und unrühm­li­che Tradi­tion. Und wie meist soll damit vom Versa­gen der herr­schen­den Poli­tik abge­lenkt werden. Trau­rig ist nur, dass so viele auf diesen Zug aufsprin­gen und sich als Hilfs­bul­len gerie­ren. So etwas gab es in der deut­schen Geschichte schon mehr­mals und es hat der Gesell­schaft niemals gutge­tan.

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