Gleiches Recht für alle. Oder nicht?

Täglich werden in Berlin Wohnungen zwangsgeräumt, weil ihre Bewohner die Miete nicht mehr zahlen können. Meist ist das ein schlimmer Höhepunkt auf ihrem Weg nach unten. Danach folgt oft die Obdachlosigkeit, manchmal ein Platz im Wohnheim. Viele dieser Menschen sind unverschuldet in diese Lage geraten, aber egal ob selbst schuld oder nicht – sie sind fast immer allein.
Anders ist es bei den rund 60 Bewohnern der Yorckstraße 59 in Kreuzberg: Sie hatten seit 1988 einen Mietvertrag, der ihnen eine Miete zusicherte, die weit unter der ortsüblichen lag. Dabei sind viele von ihnen nicht mal arm. Und sie sind nicht allein: Als das Haus verkauft wurde und der neue Eigentümer die Miete von 2,39 Euro pro Quadratmeter verdoppeln wollte, mobilisierten die Bewohner ihre Freunde und Genossen.

Zwar liegt die nun verlangte Miete noch immer im unteren normalen Bereich, aber den dort lebenden Autonomen war das trotzdem zu viel. Sie nutzten ihre Möglichkeiten und machten Dampf. Hunderte von Kreuzberger Linken gingen auf die Straße, sie demonstrierten, besetzten Straßen und Parteibüros, plünderten in der SPD-Zentrale, alles natürlich für die „gute Sache“. Die Verwaltung von Friedrichshain-Kreuzberg knickte ein, „sozialdemokratische“ und „alternative“ Lokalpolitiker ließen sich einlullen, vermittelten zwischen Bewohnern und Besitzer, machten Angebote. Alles umsonst. Der neue Hauseigentümer beharrte auf seine Mietforderung, die Mieter auf ihr privilegierte Recht auf Billigwohnen. Die Fronten waren verhärtet und die Autonomen besannen sich ihrer guten Zeiten: Gab es in Kreuzberg vor 25 Jahren nicht auch mal einen Häuserkampf…?
Also wurden nicht nur Plakate geklebt, Demos veranstaltet und Parteibüros besetzt, sondern auch militante Aktionen gestartet. Plötzlich flogen Steine, gegen den Hauseigentümer, gegen Autohäuser (was haben die eigentlich damit zu tun), gegen die SPD (Sozialfaschisten?) und einige andere mehr. Wer keine Argumente hat, der kommt eben mit Gewalt. Als das nicht reichte, flogen Brandsätze. Der Hausbesitzer wurde in seinem Büro angegriffen, es gab wochenlangen Psychoterror gegen ihn, Wände wurden beschmiert, Scheiben eingeworfen, Autos angezündet.
Trotz dieses Gewalt gab es immer noch Politiker, die den Bewohnern entgegen kamen. Zum Schluss wurde ihnen der Kauf eines ehemaligen Krankenhauses in Friedrichshain angeboten, aber auch das lehnten sie ab.
Man muss sich mal vorstellen, es wären nicht Links-, sondern Rechtsextremisten gewesen, die diese Methoden angewandt hätten. Ein Aufschrei würde durch die Stadt gehen, zu Recht würden alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass der Terror gestoppt wird. Aber offenbar gibt es unter dem rot-roten Senat unterschiedliches Recht.
Dass in Zukunft verarmten Menschen, die aus ihrer Wohnung zwangsgeräumt werden sollen, gleich billige Ersatzunterkünfte angeboten werden, ist wohl leider nicht zu erwarten. Vielleicht müssen sie auch erstmal Scheiben einwerfen und zu Gewalttätern werden, bevor mal ihnen entgegenkommt…

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