Pres­se­stim­men aus dem ersten Jahr nach dem Mauer­bau:

»Flücht­ling verfehlte Sprung­tuch — Zu einem gefähr­li­chen Zwischen­fall kam es gestern an der Sekto­ren­grenze. Ein Flücht­ling verfehlte beim Sprung von der Dach­rinne eines vier­stö­cki­gen Grenz­hau­ses an der Bernauer Straße das ausge­brei­tete Sprung­tuch der Feuer­wehr und blieb leblos auf dem Bürger­steig liegen. Ein ihn auf dem Dach verfol­gen­der Vopo, der zur Rinne hinun­ter­klet­tern wollte, wurde von Pisto­len­schüs­sen der West­ber­li­ner Poli­zei verletzt.Nach Darstel­lung von Augen­zeu­gen began­nen die Volks­po­li­zis­ten bereits auf den Flücht­ling zu schie­ßen, als er vom Dach zur Rinne runter klet­terte. Poli­zei­be­amte hatten beob­ach­tet, dass eine nicht fest­ge­stellte Anzahl von Perso­nen vom Dach sprin­gen wollte, jedoch von den verfol­gen­den Volks­po­li­zis­ten zurück­ge­hal­ten worden seien.« (3.10.61)

»Gefahr für den Frie­den — Am Vormit­tag versuchte ein Offi­zier der Vopo, den Strei­fen­füh­rer eines West­ber­li­ner Funk­wa­gens in der Bernauer Straße zu erschie­ßen. Der Funk­wa­gen war herbei­ge­ru­fen worden, weil einige Vopos aus Lange­weile Steine gewor­fen hatten und dabei die Wind­schutz­scheibe eines Last­kraft­wa­gens zertrüm­mert hatten. Als der Strei­fen­füh­rer den Vopo auffor­derte, den Unfug zu unter­las­sen, brachte dieser seine Maschi­nen­pis­tole in Anschlag und drückte ab. Nur weil der West­ber­li­ner Poli­zist seinen Kopf zur Seite wandte, entging er dem tödli­chen Schuss.« (Berli­ner Morgen­post, 6.10.61)

»Verwe­gene Flucht­ver­su­che — Auf unge­wöhn­li­che Weise gelang gestern Mittag fünf Ostber­li­nern die Flucht aus einem Grenz­haus. Zwei Frauen, zwei Männer und ein 15-jähri­ger Junge hatten vom ersten Stock aus einen West­ber­li­ner Last­wa­gen, der mit Sand bela­den war, heran gewinkt. Der Fahrer reagierte blitz­schnell und fuhr auf den Bürger­steig. Die fünf Perso­nen spran­gen aus dem Fens­ter in den weichen Sand.
Beim Absei­len aus dem drit­ten Stock verun­glückte am Sonn­tag­abend ein Flücht­ling. In der Höhe des ersten Stock­werks riss das Seil. Der Mann stürzte auf West­ber­li­ner Gebiet und wurde schwer­ver­letzt ins Kran­ken­haus gebracht.« (Berli­ner Morgen­post, 17.10.61)

»Weitere Räumun­gen — Die gestern Morgen begon­ne­nen Zwangs­räu­mun­gen an der Bernauer Straße dehn­ten sich im Laufe des Tages zu regel­rech­ten Massen­eva­ku­ie­run­gen aus. Wohnun­gen in den Häusern Nr. 8, 9, 10a, 15, 16, 23, 40, 41 und 42 sowie in den Häusern Brun­nen­straße 138 und 139 wurden geräumt.
Ein Mitglied des Räum­kom­man­dos sprang während der Früh­stücks­pause aus dem ersten Stock des Gebäu­des in der Bernauer Straße auf die Plane eines auf sein Zeichen hin sofort heran­ge­fah­re­nen Fahr­zeugs.« (Tele­graf, 18.10.61)

»Räumungs­ak­tion in Ostber­lin — Ein Hagel von Tränen­gas­bom­ben ging auf eine Gruppe von Kame­ra­leu­ten des SFB an der Bernauer Straße Ecke Acker­straße nieder. Die Kame­ra­leute film­ten die Zwangs­eva­ku­ie­rung der letz­ten Wohnun­gen in diesem Grenz­be­reich.« (Die Welt, 20.10.61)

»Flucht­ver­such geschei­tert — Bei Einbruch der Dunkel­heit schei­terte am Montag­abend der Flucht­ver­such eines Unbe­kann­ten in der Bernauer Straße. West-Berli­ner Poli­zis­ten, die mit langen Leitern zu Hilfe geeilt waren, um einen Mann auf dessen Zeichen hin die Flucht aus dem ersten Stock eines Grenz­hau­ses zu ermög­li­chen, muss­ten unver­rich­te­ter Dinge wieder abzie­hen. Offen­bar hatten ‚Volks­po­li­zis­ten’ Kennt­nis von der geplan­ten Flucht erhal­ten und sie verei­telt. Anwoh­ner der Bernauer Straße hörten aus der betref­fen­den Wohnung mehrere Schreie. Alles deutete darauf hin, dass zwischen den ‚Volks­po­li­zis­ten’ und dem Flücht­ling ein Hand­ge­menge statt­ge­fun­den hat.« (Der Tages­spie­gel, 24.10.61)

»Wieder Tränen­gas-Duell an der Weddin­ger Grenze — Bei Über­tra­gun­gen der Senats-Laut­spre­cher­wa­gen kam es am Diens­tag­abend erneut an zwei Stel­len der Weddin­ger Sekto­ren­grenze zu Tränen­gas-Duel­len zwischen Ange­hö­ri­gen der kommu­nis­ti­schen Volks­po­li­zei und West­ber­li­ner Poli­zei­be­am­ten. An der Bernauer Straße Ecke Schwed­ter Straße und am Güter­bahn­hof an der Garten­straße warfen Vopos 26 Tränen­gas­bom­ben auf West­ber­li­ner Gebiet. West­ber­li­ner Poli­zis­ten warfen ihrer­seits 36 Tränen­gas­kör­per gegen die Vopos.« (Die Welt, 25.10.61)

»Flucht aus dem Osten — Ein West­ber­li­ner Poli­zist und ein West­ber­li­ner Zoll­be­am­ter fingen mit bloßen Händen einen Volks­po­li­zis­ten auf, der aus dem ersten Stock eines zwangs­ge­räum­ten Ostber­li­ner Grenz­hau­ses in der Bernauer Straße in den West­ber­li­ner Bezirk Wedding sprang. Der Volks­po­li­zist brach sich ein Bein. Er hatte seine Maschi­nen­pis­tole mitge­bracht und lieferte sie in West­ber­lin ab.« (Die Welt, 25.10.61)

»Bombar­de­ment mit Stei­nen — Fast zwei Stun­den lang musste die West­ber­li­ner Poli­zei am Sonn­tag­abend den Verkehr auf einem Teil der Bernauer Straße sper­ren, weil Grenz­pos­ten der kommu­nis­ti­schen Grenz­po­li­zei vom Gelände der Versöh­nungs­kir­che Passan­ten und Fahr­zeuge mit Stei­nen und alten Flaschen bewar­fen. Die West­ber­li­ner Poli­zei warf 48 Tränen­gas­ker­zen über die Grenz­mauer. Die Vopos klet­ter­ten darauf­hin auf das Bauge­rüst der Kirche sowie auf die Dächer der anlie­gen­den Grenz­häu­ser und setz­ten von dort aus längere Zeit ihr Bombar­de­ment fort.« (Die Welt, 27.11.61)

»Flucht durchs Fens­ter — Das vermau­erte Fens­ter eines Grenz­hau­ses durch­stemm­ten gestern Abend ein 22-jähri­ger Arbei­ter aus dem Sowjet­sek­tor und seine 21-jährige Ehefrau. Von Volks­po­li­zis­ten unbe­merkt konn­ten die beiden den Weg nach West­ber­lin in die Frei­heit finden.« (Tele­graf, 21.12.61)

»Tränen­gas-Duell am Wedding — Als Entgeg­nung auf eine Tränen­gas­bombe mit Spreng­satz, die Ost-Berli­ner Grenz­po­li­zis­ten gewor­fen hatten, warf eine West-Berli­ner Poli­zei­streife in der Nacht zum Diens­tag zum ersten Mal Tränen­gas­ker­zen mit Spreng­satz. Zu dem Zwischen­fall war es an der Bernauer Straße gekom­men. Die sowjet­zo­na­len Grenz­po­li­zis­ten hatten ohne Anlass eine Tränen­gas­bombe über die Mauer gegen eine West-Berli­ner Poli­zei­streife geschleu­dert.« (Der Tages­spie­gel, 28.3.62)

»Eltern melden sich nicht — Seit mehr als zwei Wochen liegt der neun­jäh­rige Ostber­li­ner Junge, der am 10. April mit einem Sprung von einem vier­stö­cki­gen Haus an der Bernauer Straße nach West­ber­lin gekom­men war, im Laza­rus-Kran­ken­haus. Nach Anga­ben der zustän­di­gen Behör­den ist es bisher nicht gelun­gen, Kontakt mit den Ostber­li­ner Eltern aufzu­neh­men. Die Ärzte wollen den Neujäh­ri­gen, der Rücken­ver­let­zun­gen erlit­ten hatte, in Kürze entlas­sen. Er soll dann in einem West­ber­li­ner Kinder­heim aufge­nom­men werde.« (Die Welt, 26.4.62)

»Abriss in der Bernauer Straße — Von Grenz­po­li­zis­ten scharf bewacht haben Ostber­li­ner Bauar­bei­ter in den letz­ten Tagen damit begon­nen, die Hinter­häu­ser der Bernauer Straße 16 und 31 abzu­bre­chen. Erst kürz­lich waren in West­ber­lin Vermu­tun­gen laut gewor­den, dass die Ostber­li­ner Behör­den beab­sich­ti­gen, sämt­li­che Häuser auf der Ostseite abrei­ßen zu lassen, da die Bernauer Straße zu einem Doku­ment der Schande für die SED-Macht­ha­ber gewor­den ist.« (Tele­graf, 2.8.62)

»Flücht­ling auf der Fried­hofs­mauer erschos­sen — Kommu­nis­ti­sche Trans­port­po­li­zis­ten ermor­de­ten gestern Nach­mit­tag gegen 14.10 Uhr einen bisher unbe­kannt geblie­be­nen Flücht­ling an der Bernauer Straße. Der etwa 40–50-jährige Mann stand bereits auf der Mauer des Fried­hofs der Sophien-Gemeinde, als er von zwei Kopf­schüs­sen getrof­fen auf den zum Ostsek­tor gehö­ri­gen Fried­hof zurück­fiel. Der Flücht­ling muss sofort tot gewe­sen sein.« (Der Tag, 5.9.62)

»Arbei­ter legen Todes­strei­fen auf Ost-Fried­hof an — Seit gestern Mittag legen Arbei­ter auf dem Ostber­li­ner Fried­hof an der Bernauer Straße einen Todes­strei­fen an. Vermut­lich werden die kommu­nis­ti­schen Macht­ha­ber auch vor den Ruhe­stät­ten der Toten nicht Halt machen und in den nächs­ten Tagen damit begin­nen, Gräber einzu­eb­nen.« (Der Tages­spie­gel, 17.11.62)

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