Der Landwehrkanal

Mit dem Spottlied „Es schwimmt eine Leiche im Landwehrkanal“ wurde die ermordete Rosa Luxemburg nach ihrem Tode noch posthum verhöhnt. Leider ist dies das einzige Lied, in dem das größte Bauwerk Berlins vorkommt.
Als der Kanal am 2. September 2000 sein 150-jähriges Jubiläum hatte, kam niemand auf die Idee, dies zu würdigen. Aber das steht in alter Tradition: Schon seine Einweihung war der Presse 1850 nur wenige Zeilen wert. Die Berliner nahmen ihn im Prinzip nicht wahr, zumal er damals noch außerhalb der Stadtmauern lag…
Ausschlaggebend für den Bau des Kanals waren die unzureichenden Kapazitäten der Spree-Schleuse am Mühlendamm (heute im Bezirk Mitte). Die Schiffe mussten schließlich wochenlang warten, bis sie die Schleuse passieren konnten, die damals schon mitten in der Stadt lag. Sie war zu eng, die Schleusenkammern zu kurz, der Ansturm zu groß.

Es ist nicht bekannt, wann der sogenannte Landwehrgraben angelegt wurde, der direkt nördlich der Stadtmauer zwischen dem Schlesischen und Halleschen Tor verlief. Wenn die Spree Hochwasser führte, diente der Graben zu ihrer Entlastung. Ab 1705 gab es auch Holztransporte über den Landwehrgraben. Doch erst über hundert Jahre später wurde die Situation an der Schleuse so untragbar, dass die Idee zum Bau einer Ausweichmöglichkeit aufkam. Schiffen, die die Stadt nicht anlaufen sondern nur durchqueren wollten, sollten so um die Mauern herum geführt werden und die Spree in Berlin entlasten.
1818 stellte der Ober-Mühleninspektor Schwahn einen Plan zum Bau des Umgehungskanals auf. Er sollte elf Meter breit und selbst bei niedrigstem Oberwasserspiegel noch mindestens 1,30 m tief sein. Nachdem bereits alle Vorbereitungen getroffen waren, ließ der König den Bau jedoch 1820 aus Kostengründen stoppen.

Erst 1840 erhielt Peter Joseph Lenné den Auftrag zur Bebauung des Köpenicker Feldes. Sein Konzept enthielt als Hauptpunkt die Anlegung eines schiffbaren Wasserweges, der an der Spree an der jetzigen Schillingbrücke begann. Von hier aus wurde der Luisenstädtische Kanal über den heutigen Engeldamm, Oranienplatz, Erkelenzdamm zum späteren Urbanhafen geführt. Parallel dazu trieb Lenné die Entwicklung der alten Idee einer Spree-Umfahrung voran.

Die Bürokratie mahlt oft langsam, in diesem Fall besonders. Als 1845 der Bau des Landwehrkanals begann, war an manchen Stellen noch nicht mal seine genaue Trassenführung entschieden. Die endgültige Linienführung beschrieb der Bauleiter des Kanals, Ingenieur Helfft:
„Der ungefähr 1 3/8 Meilen [10,4 km] lange Landwehrkanal tritt oberhalb des Schlesischen Thores, nicht weit von der ehemaligen Mündung des Landwehrgrabens, aus der Spree, durchschneidet alsdann die Chaussée nach Treptow, entfernt sich, die sogenannten Berliner Wiesen durchschneidend und bei seiner Wendung beinahe einen rechten Winkel bildend, von der Stadt, kommt derselben bei Durchschneidung des Rixdorfer Dammes wieder näher, erreicht die Stadtmauer am Halleschen Thore, durchschneidet ferner die Militairstraße [Wilhelmstraße], die Berlin-Anhalter Eisenbahn, die Schöneberger Straße, die Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn und die Potsdamer Straße, läuft die Grabenstraße entlang, wendet sich dann nach dem ehemaligen Fasanen-Gehege nach Charlottenburg und mündet endlich oberhalb Lietzow, bei dem neuen königlichen Salzmagazine, in die Spree aus.“

An der Stelle des heutigen Urban-Krankenhauses stieß der Luisenstädtische Kanal in den Landwehrkanal, hier wurde der Urbanhafen angelegt, der die gesamte Fläche des heutigen großen Parkplatzes, einen Teil des Krankenhaus-Neubaus sowie gegenüber einen Teil des Böcklerparks einnahm. Der Luisenstädtische Kanals durchbrach zwischen dem Kottbusser und dem Halleschen Tor die Stadtmauer, worauf heute noch der Name Wassertorplatz hinweist. Mitten in die Bauarbeiten platzte die Revolution von 1848, die auch die 5.000 Arbeiter am Luisenstädtischen Kanal erfasste. Elf von ihnen starben im Oktober 1848 am Engelbecken.

Durch die Schleusentore am Anfang und Ende des Landwehrkanals konnte eine konstanter Wassertiefe gehalten werden, unabhängig vom tatsächlichen Wasserstand der Spree. So wurde gewährleistet, dass die Tiefe nie unter 1,50 m sank. Die Breite betrug an der Wasseroberfläche etwa 20 Meter. Allerdings maß die Sohle nur zehn Meter, die Ufer stiegen damals schräg an, so dass die Schiffe nicht direkt am Rand halten konnten.
Dass der Platz nicht reichte, wurde nach dem Abriss der Stadtmauer und der schnellen Ausbreitung der Stadt deutlich. Zahlreiche zum Entladen angelegte Schiffe blockierten den Kanal. Bei den Begegnungen und Überholmanövern in der schmalen freibleibenden Rinne wurde die Uferbefestigung an zahlreichen Stellen beschädigt, wodurch Sand durchbrach und den Kanal dort unpassierbar machte. 1880 erließ die Stadt daher die Order, dass der gesamte Kanal periodisch stets nur in eine Richtung befahren werden durfte.

Um die Situation zu entspannen sollte nur etwa 300 Meter südlich ein weiterer Umgehungskanal gebaut werden. Allerdings fiel die Entscheidung aus finanziellen Gründen dann zugunsten eines Ausbaus des Landwehrkanals. Natürlich dauerte die Realisierung wieder viele Jahre, erst 1941 (!) war die Erweiterung des Landwehrkanals abgeschlossen. Das Profil war statt trapez- nun kastenförmig, wodurch eine nutzbare Breite von 22 Metern entstand, die Anlegung von Steilufern und Ladestraßen gaben den Schiffen die Möglichkeit, zur Entladung anzulegen, ohne den Durchgangsverkehr zu behindern. Auch der Wasserstand wurde verändert, der nun mindestens 1,75 Meter und in der Kanalmitte 2 m betrug.

In der Folgezeit erhielt der Landwehrkanals aufgrund des Krieges eine besondere Bedeutung, vor allem zur Schuttabfuhr. Doch die zunehmende Motorisierung auf der Straße sowie schließlich die Teilung der Stadt machten ihn seit den 60-er Jahren fast überflüssig. Heute wird er fast nur noch von Ausflugsdampfern genutzt.

Ein noch schlimmeres Schicksal erlitt der Luisenstädtische Kanal, nach der Bebauung des Köpenicker Feldes wurde er kaum noch befahren. Im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurde der Kanal 1926/27 zugeschüttet und stattdessen ein breiter Grünzug angelegt, der ab 1961 teilweise als Grenzstreifen diente. An einer Stelle aber hat er noch ein deutliches Zeichen hinterlassen: Die Waldemarstraße überquert den ehemaligen Kanal noch immer über eine (während der Mauerzeit zugemauerte) Brücke!

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