Jagd auf Schwarzfahrer

Die BVG hat angekündigt, dass sie künftig noch verstärkter als bisher Jagd machen wird auf Menschen, die in den Bussen, Straßen- und U-Bahnen ohne Fahrschein unterwegs sind. Schon in der vergangenen Monaten hat sie die Zahl der Kontrollen verdoppelt. Gleichzeitig wurde die Zahl der Strafanträge innerhalb nur eines Jahres von 2.000 auf 34.000 drastisch erhöht.
Anscheinend plant der Senat als Eigentümer der BVG mittellose Menschen, die sich die stetig steigenden Preise nicht leisten können, vollends zu kriminalisieren. Anders lässt sich diese Maßnahme nicht erklären, denn den Verantwortlichen ist durchaus bewusst, dass mehrfach erwischte Schwarzfahrer ins Gefängnis müssen. Dies betrifft zum größten Teil diejenigen, die einfach finanziell nicht in der Lage sind, die Fahrpreise oder die Strafen zu bezahlen.
Natürlich gibt es auch Leute, die aus Prinzip keinen Fahrschein kaufen wollen. Diese gehen das Risiko bewusst ein. Wer aber nur Hartz 4 erhält, bei dem ist auch die verbilligte Monatskarte, das sog. Sozialticket, finanziell nicht abgedeckt.
Die BVG spricht dramatisierend von Millionenverlusten, die sie durch Schwarzfahrer erleide. Dabei ist kaum glaubhaft, wieso sie angeblich Verluste hat, wenn in jedem U-Bahn-Wagen ein Mensch nicht bezahlt. Merkwürdig ist in dem Zusammenhang auch, dass die S-Bahn zugibt, durch ihre Kontrollen jährlich mehrere Hunderttausend Gewinn macht.

Fakt ist, dass mit der Kriminalisierung von Schwarzfahrern auch dem Senat nicht geholfen ist. Jährlich gehen in Berlin mehrere tausend Menschen wegen Schwarzfahrens ins Gefängnis, in der Haftanstalt Plötzensee sitzen z.B. ein Drittel der Häftlinge wegen Fahrens ohne Ticket. Den Steuerzahler kostet die „Ersatzfreiheitsstrafe“ eines Schwarzfahrers zwischen 7.500 und 15.000 Euro. Geld kommt dadurch nicht in die Kasse und der Betroffene wird nach einer Haftstrafe erst recht keinen Job finden, um sich irgendwann wieder Fahrkarten leisten zu können.
Es ist nicht einzusehen, wieso auf sozial Schwache jetzt noch massiver Jagd gemacht wird, während andere, die z.B. 27 Millionen Steuern hinterziehen, ihre Tage lässig als Freigänger in Freiheit verbringen können.

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8 Kommentare

  1. Moin, moin Aro,
    das Schwarzfahren ist so ein Thema für sich. Mit dem Argument, der ALG2 -Satz gibt die 36 Euro monatlich für das S-Ticket nicht her, komme ich nicht ganz klar. Darf dann Armut auch als Alibi für Erschleichen von anderen Dienstleistungen sein? (Besuch im Theater, bei Sportveranstaltungen wie Füchse oder Herta)
    Ich gebe dir Recht, dass die Kriminalisierung weder den Betroffenen noch der Gesellschaft hilft. Warum aber nicht Umwandlung der „Strafe“ in gemeinnützige Arbeit? Wenn deine Zahlen stimmen, würden bei 34.000 „Erwischten“ ggfs. bei Erwerb des S-Tickets über 1,2 Mio Euro an Einnahmen verloren gehen. Ist das die Zahl für einen Monat? Dann komme ich auf 12 Mio im Jahr. Das sind dann keine verschmerzbaren Kleinbeträge mehr, oder?
    Gerne diskutiere ich, ob man die Kosten von monatlich 36Euro noch senken könnte. Aber bitte nicht ALG2 als Alibi für Schwarzfahren, dass ist mir zu einfach und weckt nur unnötigen Neid bei den Bezahlern! Diesen Neid spüre und höre ich leider viel zu oft. Denen da unten geht es ja so gut, die haben bei ALG2ja mehr als wenn jemand arbeiten geht. Da wird dann schnell hochgerechnet, das Geld für Zigaretten und neueste Handys da ist, die Kinder aber kein Geodreieck kaufen können. Letzteres kenne ich aus direkter Erfahrung meiner Frau
    Gruß Frank
    Zigaretten oder Handykosten?

  2. Ja, ja, Neid verschließt gerne die Augen vor der Realität. Das höre ich doch auch selbst immer wieder, die angeblich nur mit Geld so um sich schmeißenden Flüchtlinge sind von dieser Nachrede ebenfalls betroffen. Dass sich aber Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, dann oft auch noch den Vorwurf des Schmarotzertums anhören müssen, finde ich unerträglich und unsozial. Ich wünsche denjenigen, die solche Vorwürfe machen, dass sie selber mal in eine solche Lage kommen und dann vor einer Mauer der Ignoranz stehen. Mir ist klar, dass Hilfe von einem Teil der Bezieher auch ausgenutzt werden, so blind bin ich auch nicht. Das Problem ist, dass dies dann gerne verallgemeinert wird und dann alle Betroffenen unter Verdacht stehen.

    Die von mir genannten Zahlen stammen von der BVG und der S-Bahn. Die 34.000 beziehen sich auf die Strafanträge im ganzen Jahr 2014.
    Der Unterschied zwischen Busfahrten und Theaterbesuchen ist aber klar, oder? Wer es sich kaum leisten kann mit den Öffentlichen zu fahren, ist seiner Mobilität beraubt. Ich finde, ein reiches Land wie DE kann es sich durchaus leisten, auch den Armen die Möglichkeit zur Mobilität geben. Derzeit sind pro Monat 25 Euro dafür vorgesehen, also weniger, als in Berlin ein Sozialticket kostet. Dies macht aber den Unterschied aus zwischen legal und schwarz fahren.

    Ich gehöre als Taxifahrer auch nicht zu den Gutverdienern, trotzdem bin ich gerne bereit zu akzeptieren, dass ein Teil meiner Steuern zur Unterstützung von Bedürftigen genutzt wird. Das ist mir allemal lieber, als damit Banken oder Steuerhinterzieher zu unterstützen. Ich finde es auch zum Kotzen, dass so etwas in der Öffentlichkeit mehr oder weniger schweigend hingenommen wird, gleichzeitig aber auf die die wirklich Hilfebedürftigen verbal eingeschlagen wird. Dies ist ein Zeichen, dass es nicht weit her ist mit unserer humanen Gesellschaft.

  3. Ich möchte mich dem Fastdäne anschließen, wenn man so argumentiert, bleibt die Frage, wie man den zwischen Leuten unterscheiden will, die sich ihr Ticket tatsächlich nicht leisten können und den Leute, die eben nicht zahlen wollen. Logisch ist auch, daß die Bahn an einem Schwarzfahrer nicht eingeht, es ist die Masse, die es ausmacht. Die Argumentation mit den steigenden Preisen hinkt sehr, den eine Schwarzfahrerquote von 6% bedeutet auch, daß die Preise um rund 6% niedriger sein könnten, würden alle ein Ticket kaufen. Abgesehen davon, was sollen Mittellose auf dem Land sagen, die sich mal nicht eben „schwarz“ in einen Bus schmuggeln können? Schwarzfahren ist eine Leistungserschleichung auf Kosten anderer und letztlich hilft nur eine Strafe die wehtut dagegen, ob eine Haftstrafe da sinnvoll ist bleibt fragwürdig, aber sicherlich gäbe es andere Möglichkeiten, die weniger Kosten verursachen aber trotzdem wehtun.
    Wenn Du aus persönlicher Überzeugung für die Unterstützung bedürftiger bereit ist, so ist das löblich, aber ich kann mir vorstellen, daß mancher Geringverdiener lieber mal mit seiner Familie einen Ausflug oder Urlaub machen will, als für anderleuts Bedürfnisse aufzukommen.

  4. Moin nochmal,
    Zum Regelsatz nur kurz die Anmerkung, dass es neben dem Anteil Verkehr auch den Posten Freizeit gibt. Da sind nochmal 40 Euro drin. Wie gesagt, immer noch ganz eng aber nicht wirklich unmöglich. Und natürlich hast du mit der Erweiterung der Zielgruppe für Neid von oben nach unten Recht. Schon erstaunlich, dass der Neid selten den wirklich Reichen gilt.
    Gruß aus dem Norden
    Frank

  5. @ Marcello
    Glaubst Du tatsächlich, die Preise würden nicht steigen, wenn es weniger Schwarzfahrer gäbe?
    Was die Strafe betrifft: Natürlich ist es eine Leistungserschleichtung. Aber wer mehr oder weniger dazu gezwungen ist, wieso soll man den dafür auch noch bestrafen? Diese Menschen sind doch schon allein durch ihre Situation gestraft genug. Daran ändert auch keine Haftstrafe was oder eine andere, die weh tut.

  6. Nun, ich gehe mal davon aus, daß wenn eine Preiserhöhung genehmigt wird, die Einnahmen und Ausgaben sehr wohl eine Rolle spielen, insofern bedeuten mehr zahlende Fahrgäste eine geringere oder keine Fahrpreiserhöhung, logisch eigentlich…..
    Ich folge Deinem Blog schon eine ganze Weile und mir ist schon oft aufgefallen, daß Du, ich sag mal, ein unverbesserlicher, lieber Mensch bist, der fest an die Ehrlichkeit der anderen glaubt. So von wegen, jeder muß auch für den anderen da sein und die Gesellschaft fängt die Defizite des Einzelnen auf. Nun, an dieser Annahme ist letztendlich auch der Kommunismus (nach meiner Meinung eigentlich die optimalste Staatsform, nur der Mensch ist zu schlecht) bereits gnadenlos gescheitert. Tatsache ist, daß der Mensch im Normalfall erstmal an sich denkt und ich sag es mal frei heraus, wenn ich wüsste, daß eine Schwarzfahrt ohnehin keine Strafe nach sich zieht, dann würde ich mir auch kein Ticket ziehen, obgleich ich mir es leisten könnte. Ein Problem der heutigen Gesellschaft ist doch, daß der Kleinbürger langsam aber sicher auch keine Lust mehr hat, der Dumme, ehrliche zu sein, wenn es auf die andere, faule, Art ebenso funktioniert. Es wundert nicht, daß immer mehr extremistische Strömungen zu beobachten sind, dieses liegt nach meiner Meinung einfach daran, daß die Politik dem einfachen, arbeitendem Volk kein Gehör schenkt. Würde es beispielsweiße eine konsequente Asylpolitk geben und konsequentes Durchgreifen bei Straftaten, hätten Gruppierungen wie PEGIDA oder die AFD gar keine Grundlage für Ihre Existenz. Mit der aktuellen Politk ist es aber eher so, daß der Straftäter, Sozialbetrüger oder Scheinasylant sich ins Fäustchen lachen kann, der Normalbürger glaubt er ist im falschen Film und Miss Sunshine-Merkel faltet ihre Hände zur Raute und schaut interessiert.
    Ich halte es für falsch, Betrug an der Allgemeinheit zu bagatelliesieren, wenngleich es sicherlich sinnvolleres gäbe, wie Gefängniss. Man denke da nur an das versiffte Umfeld verschiedener Bahnhöfe (ich denke mal das wird in Berlin gleich sein wie anderswo), welchem sicherlich etwas Pflege nicht schaden könnte….

  7. @ Marcello
    Ich will Dir da im Prinzip gar nicht widersprechen. Meine Einlassungen zum Thema Verfolgung von Schwarzfahrern bezieht sich auf diejenigen, die nicht zahlen KÖNNEN, nicht die, die es nicht wollen, das habe ich ja auch im Artikel geschrieben. Ich bagatellisiere nicht den Betrug an der Allgemeinheit. Es geht mir um die, die gar keine andere Chance haben.

    Natürlich glaube ich daran, dass Menschen solidarisch miteinander umgehen können und die Welt nicht nur aus Egoisten besteht. Aber ich weiß durchaus, dass das hier und jetzt nicht so ist. Das angeblich so soziale Deutschland ist recht kalt, Mitgefühl gibt es hier eher mit Hunden, als gegenüber Menschen. Aber ich akzeptiere nicht, dass es so ist. Und zwar gerade in diesem Land. Erstens weil ich hier lebe und zweitens, weil es eines der reichsten Länder der Welt ist.
    Zumal ich weiß, dass es auch anders geht. Ich habe sehr krasse Armut kennengelernt, als ich in Indien gelebt habe. Auch dort denkt natürlich erstmal jeder an sich. Trotzdem hab ich da viel mehr Menschen gesehen, die anderen ein paar Münzen in die Hand gelegt haben, als es hier der Fall ist. Und das, obwohl dort ein Menschenleben so gut wie nichts wert ist.

    Mir ist schon öfter vorgeworfen worden, ich wäre zu naiv, die Menschen wären nun mal nicht „gut“. Klar denkt jeder in erster Linie an sich, das ist sicher normal. Muss das aber bedeuten, dass einem die anderen völlig egal sind? Bedeutet das, dass wir hier den Ärmsten eben ihre Rechte absprechen? Z.B. das Recht, die angeblich öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen? Ich zahle Steuern und möchte dass davon Arme unterstützt werden und nicht die Banken.

    Es geht mir nicht darum, Betrüger zu verteidigen. Die gibt es überall, auch unter Flüchtlingen und Immigranten. Aber so zu tun, als wäre das die Regel, das ist Rassismus, denn der weitaus größte Teil wird damit unter Generalverdacht gestellt. Und dies in einer Situation, wo die Menschen gerade ihre Heimat, ihr Hab und Gut und nicht selten auch Verwandte verloren haben. Sie brauchen in dieser Lage Halt und nicht üble Vorwürfe, nur weil sie pauschal für irgendwelche Arschlöcher mitverantwortlich gemacht werden.
    Leider finden weder Flüchtlinge, noch andere mittellose Menschen diesen Halt hier bei uns nur selten.

  8. Hm,
    ich glaube, einen ähnlichen Post hattest du mal.

    Zu den Preissteigerungen: die kommen, unabhängig, ob es Schwarzfahrer gibt oder nicht. Immer. Und regelmäßig mindestens 1 mal im Jahr. Zumindest hier. Seit Jahrzehnten.

    Der Satz, den ALG2-Bezieher dafür haben, ist lächerlich. Wie so vieles an dem wenigen Geld. Auch hier kämst du mit dem Satz nicht hin. Und selbst, wenn ich mir nur zu bestimmten Dingen (Vorstellungsgespräch oder ähnlich) eine Tageskarte ziehe, zahle ich nach 10 solcher Karten schon fast ein Monatsticket.

    MMn wird ein System immer ausgenutzt – unabhängig vom System. Es gibt immer Leute, die sich dran versuchen wollen oder meinen, schlauer zu sein. Die eben nicht solidarisch denken. Ist so ähnlich wie mit der Demokratie und den Terroranschlägen momentan. Die Frage ist immer, wie weit willst du das verfolgen? Denn irgendwann machst du damit – Überwachung, Verfolgung – ein System kaputt. Im Falle der Demokratie gehen die Freiheiten verloren, die uns eine solche eben einräumt.

    Im Falle der Strafverfolgung rechnet sich das nur, weil das nicht ganzheitlich gesehen wird. Jeder guckt nur auf seinen Geldtopf. Die BVG werden mehr Geld einnehmen durch die Strafgebühr, die ja auf 60 E steigen soll. Selbst wenn sie mehr Kontrolleure dafür einstellt. Die Kosten fürs Gefängnis kommen aus einem anderen Topf. Das letztlich auch die BVG ihre Steuergelder aus diesem Topf bekommt, der durch die Gefängniskosten schrumpft, sehen sie nicht. Zumal Bau und Unterhaltung von Gefängnissen ja vielleicht auch noch mal getrennte und ggf. Bundestöpfe sind. Dennoch ist es alles ein Geld: Steuergeld. Und das wird nicht mehr, auch wenn es mehr Töpfe werden. Es sei denn, die Steuern steigen. Oder die Ausgaben – z. B. ALG2, in diese Fall vielleicht durch Sanktionen – sinken. Oder eben die Ticketpreise steigen.

    Und aus diesem Grund meine ich auch heute noch, es sollte vielleicht grundlegende Änderungen im System geben. Bedingungsloses Grundeinkommen, weniger Privatisierung bei eigentlich staatlichen/öffentlichen Aufgaben etc. Diese Aufgaben sollte man dann aus Steuergeldern finanzieren.

    Ich glaube, da könnte man eine Menge verschlanken und dadurch kostengünstiger oder zumindest effizienter gestalten. Und warum nicht die Fahrt mit öffentlichen kostenlos anbieten? Oder zumindest sehr viel billiger? Finanziert wird es doch eh aus Steuergeldern.

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