In unserem Land gibt es einen sehr merkwürdigen Reflex: Immer wenn irgendwo in den Medien von Hitler oder der Nazizeit die Rede ist, ohne dass ein Mindestmaß an Betroffenheit oder Verurteilung angehängt wird, ist sofort von Verharmlosung die Rede. Selbst wenn ein jüdischer Regisseur einen satirischen Film macht, in dem der Holocaust eine Rolle spielt, wird ihm Antisemitismus oder mindestens auch Verharmlodung vorgeworfen.
„Darf man über Hitler lachen?“ wurde gefragt, als Helge Schneider seine Nazi-Verarsche in die Kinos brachte und die ewigen Bedenkenträger antworteten natürlich mit Nein. Es sind die gleichen Leute, für die anscheinend alles verdammenswert ist, was die Nazis nicht automatisch mit der Keule runtermacht. So auch aktuell beim Kinofilm „Der Vorleser“, in dem eine frühere KZ-Aufseherin doch tatsächlich als Mensch dargestellt wird. Es gilt manchen Kritikern schon als Verharmlosung, wenn man Nazis nicht nur als teufelsgleiche Bestien präsentiert, sondern eben als Menschen, die in der damaligen Gesellschaft aufgewachsen und sozialisiert wurden.
Ähnliche Kritik gab es auch, als der Film „Schindlers Liste“ ins Kino kam. Angeblich wurde darin ein Ex-Nazi, Kriegs- und Deportationsgewinnler reingewaschen und glorifiziert. Wen interessiert es da, dass Schindler in der Realität 1.100 Menschen das Leben gerettet hat. Klar, dass auch Stauffenberg in „Operation Walküre“ sein Fett wegkriegt. Doch auch Filme mit tonnenschwerem Tiefgang haben bei den wahren Antifaschisten keine Chance. Als „Der Untergang“ die letzten Tage in der Reichskanzlei nachzeichnete, lautete die Kritik wieder mal, Hitler würde zu menschlich dargestellt. Ja, wie denn sonst? War er denn kein Mensch? Natürlich ist er für den Tod von Millionen Juden und Kriegsopfern verantwortlich, mit sogenannter Menschlichkeit hat das natürlich nichts zu tun. Soweit man heute weiß, war Hitler trotzdem kein Alien von einem anderen Stern, sondern Teil der Gesellschaft damals, natürlich einer grauenvollen Gesellschaft, immerhin haben Abertausende mitgemacht. So wie die Massenmörder in China, der Sowjetunion oder viel später auch in Ruanda. Es ist gerade wichtig, zu zeigen, dass „das Böse“ nicht von außen über das Land kam, sondern sich aus der eigenen Gesellschaft entwickelt hat. Die Folterer in den SA-Kellern, die Parteibonzen, die KZ-Aufseher und die Beamten, die den Nachlass ermordeter Juden verwalteten, all sie waren ganz normale Bürger, Nachbarn, privat vielleicht sogar sympathische Leute.
Die Nazis von damals als Menschen zu zeigen, ist keine Verharmlosung. Aber so zu tun, als hätten sie nichts mit dem damaligen Deutschland zu tun, ist dumm. Gerade dies verharmlost die Gefahr, die auch heute noch besteht. Die Erfahrungen von Srebrenica 1995 zeigen, dass auch heute einfache Bürger Massaker anrichten können. Faschismus kommt von innen. Und er kann sich jederzeit wiederholen, wenn die Umstände entsprechend sind. Das verhindert man nicht, indem man ihn tabuisiert.
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