Versuchen Sie doch mal, den Kudamm vom Kranzler bis zum Lehniner Platz zu laufen, ohne auch nur ein einziges Mal angequatscht zu werden. Es kann kaum gelingen, zu viele Verteiler und Animateure versuchen Sie zu ködern.
Allein an der Kreuzung zur Joachimsthaler Straße verteilen gleich vier Leute ihre Werbezettel, alle für unterschiedliche Firmen. Der hübsche Inder wirbt für ein türkisches Restaurant, die trotz Kälte recht leicht bekleidete junge Dame bietet einen Handyvertrag an, zum Abschluss soll man aber in ein Geschäft gehen. Nein, das ist mir zu wenig kundenfreundlich, weiter gehts also ohne Telefon. Noch eine zu dünn angezogene Frau, fast noch ein Mädchen, sie friert ganz offensiv vor aller Augen. Vielleicht hofft sie auf einen Mitleidsbonus, aber ob das reicht, den beworbenen Frisiersalon mit angeschlossenem Nagelstudio zu besuchen? Bei mir jedenfalls nicht. Für ein Nagelstudio ganz anderer Art wird vom vierten Verteiler geworben, der „Club“ liegt gleich um die Ecke.
Die Kreuzung zur Fasanenstraße ist in Hand der Animateure. Auf beiden Seiten des Kurfürstendamms stehen die Verteiler, die jedem Mann ihre Zettel entgegenstrecken. Sie versuchen ihre Opfer auch zu überzeugen, gleich mit ihnen in die Sexbar zu gehen, die nicht weit entfernt liegt. Wer nicht sofort abwinkt, wird bequatscht, selbst ein offensichtlich schwules Pärchen will der Drücker in das Hetero-Etablissement schleusen.
Richtig ätzend wird es an der Uhlandstraße, hier hat Scientology einen Stand mit Broschüren aufgebaut. Ihr Name ist nicht zu sehen, stattdessen werben sie mit ihrem Kunstbegriff „Dianetik“. Sie sprechen jeden an, ob man nicht mal an einem Psychotest teilnehmen möchte, „natürlich kostenlos!“. Penetrant verfolgen sie manche Passanten noch hundert Meter weit, wedeln mit ihren Büchern und ersticken einen unter einer Flut von Worten. Weh dem, der der nicht sofort abwinkt, er wird gleich als potenzielles Opfer betrachtet und behandelt.
Auf der gegenüberliegenden Seite sehen ebenfalls Erleuchtete: Vor dem Französischen Kulturzentrum sammelt eine Christensekte Unterschriften und Geld. Und ich dachte bisher immer, sie sammeln vor allem Seelen. Zwischen Bleibtreu- und Schlüterstraße begegnen mir zwei weitere Reklameverteiler. Diesmal für ein Holzmöbelgeschäft (welcher Tourist kauft denn beim Kudamm-Bummel Möbel?) sowie für ein neues Thai-Restaurant. Außer einem bettelnden Punk an der Leibnizstraße bleibe ich bis zum Adenauerplatz unbehelligt. Dort habe ich dann noch einen älteren Herrn am Hacken, der mich unbedingt in seinen Sexclub dirigieren will, „zur Entspannung“. Ich flüchte auf die andere Straßenseite zum Zettelverteiler für das gleiche Asia-Restaurant wie eben, dann habe ich die rettende Idee: Künftig werde ich mehrmals täglich den Kurfürstendamm rauf und runter gehen, alle Reklamezettel annehmen und dann groß ins Geschäft mit Altpapier einsteigen!
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