Himmelsdamen gegen rechts

Der Taxi-Auftrag lautete: 5 Perso­nen aus der Fasa­nen­straße abho­len, die Fahrt geht in den Prenz­lauer Berg. Fünf Leute, kein Problem, solange sie kein Gepäck dabei haben. Hatten sie auch nicht. Insge­samt waren drei Wagen bestellt.

Bei meiner Ankunft kam einer der Kolle­gen aus dem Restau­rant: „Ha, ha, so viele Frauen in Burkas habe ich noch nie gese­hen.“ Tatsäch­lich sieht man in Berlin ja wenige, die eine Burka oder ähnli­ches tragen. Da wird von inter­es­sier­ter Seite oft über­trie­ben und Panik gemacht.

Als die Ladys endlich raus­ka­men, musste ich aber erst­mal lachen: Es waren eher keine Burkas, die sie trugen, sondern Habits, also Nonnen­trach­ten. Ich hatte fünf gestan­dene katho­li­sche Nonnen zu fahren, alle schät­zungs­weise zwischen 70 und 80 Jahre alt. Das Alter war in diesem Fall schon ein Problem. Nicht nur weil alle ziem­lich beleibt waren, was auf der Rück­bank zu Platz­not führte. Eine von ihnen musste aber auch noch auf den Not-Klapp­sitz, der sich im Koffer­raum befin­det. Einge­stie­gen ist dann die offen­sicht­lich jüngste von ihnen. Sie wollte erst durch die Koffer­raum­klappe stei­gen, aber ich zeigte ihr den Weg durch die hintere Seiten­tür. Trotz­dem muss man da schon ein biss­chen beweg­lich sein. Was sie nicht war.

Als alle auf ihren Plät­zen saßen, sammelte ich vier Krück­stö­cke ein, legte sie hinten ins Auto und los ging es. Die meis­ten von ihnen waren das erste Mal in Berlin und entspre­chend aufge­regt. Sie kommen­tier­ten alles Mögli­che, die brei­ten Stra­ßen, die vielen Autos, die Licht­in­stal­la­tion an der Sieges­säule, die Laut­stärke der Stadt (wobei die Damen kaum weni­ger laut waren). Es war wie ein Hühner­trans­port, aber lustig. Immer wieder musste ich Fragen beant­wor­ten. Zum Beispiel danach, wie oft mir schon ins Taxi gekotzt wurde (Antwort: „Noch nie“), ob ich keine Angst hätte, nachts allein im Auto zu fahren („Nein, gefähr­lich ist es ja höchs­tens, wenn ich nicht allein bin.“) und wirk­lich: Wie ich Grup­pen wie diese seelisch verkraf­ten würde („Dazu sage ich jetzt lieber nichts!“).

Inter­es­sant wurde es, als wir Moabit durch­quer­ten. Plötz­lich war über­all Poli­zei und Blau­licht. Ich erzählte den Nonnen, dass es sich hier wohl um die wöchent­li­che Demo von Rechts­extre­mis­ten handele und es sein könnte, dass wir gleich ein paar Minu­ten warten müss­ten. Die Reak­tion der Nonnen war bemer­kens­wert: „Wir soll­ten ausstei­gen und dage­gen protes­tie­ren. Man darf doch solche Leute nicht in Ruhe demons­trie­ren lassen.“ Alle stimm­ten zu. Sie disku­tier­ten wild durch­ein­an­der und ich malte mir bereits aus, neben fünf schimp­fen­den Nonnen zu stehen, die mit ihren Krück­stö­cken drohen. Leider wurden wir aber von der Poli­zei wegge­schickt und muss­ten weiter­fah­ren. Den Rest des Weges woll­ten sie von mir mehr über diese Demos wissen. Und auch, was ich dage­gen machen würde. Es war eine tolle Fahrt.

Im Prenz­lauer Berg ange­kom­men dauerte das Ausstei­gen einige Minu­ten, von allem die Dame vom hinters­ten Rück­sitz musste ich vorsich­tig nach vorn ziehen und ihr beim Ausstei­gen helfen. Dann ging es ans Bezah­len. Die 26 Euro begli­chen sie mit zwei 20ern und den Worten, die ein Taxi­fah­rer gerne hört: „Stimmt so!“ Und: „Es war sehr nett, mit Ihnen zu fahren. Leider müssen wir morgen schon wieder weg, sonst würden wir Sie gleich wieder buchen.“ Na ja, viel­leicht ja ein ander­mal. Oder im Himmel, wer weiß.

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