Ein ausgestopfter Sarg in Gransee

56 km. Erin­ne­rung an eine Himmel­fahrt

Doch, es geht noch katho­li­scher.

In allen uralten Reli­gio­nen gibt es ein gött­li­ches Paar. Denken Sie an Isis und Osiris, Shiva und Shakti, Zeus und Hera. Nur der Gott des alten Testa­ments ist über­trie­ben männ­lich und hat kein weib­li­ches Gegen­stück, sosehr sich die femi­nis­ti­sche Theo­lo­gie auch bemüht.

Darum bekam in der katho­li­schen Kirche Maria, die „Mutter Gottes“ immer mehr Bedeu­tung. Die konn­ten die Menschen so vereh­ren, wie sie Frauen gern vereh­ren woll­ten. Die war leich­ter zugäng­lich als dieser männ­li­che, furcht­ein­flö­ßende Gott.

Über­all, wo Volks­stämme chris­tia­ni­siert wurden, ging der alte Kult der weib­li­chen Gott­hei­ten naht­los in Mari­en­ver­eh­rung über.

Aber das welt­lich preu­ßi­sche Abbild der gött­li­chen Arbeits­tei­lung hatte nur einen Vater und einen Sohn, beide ausge­spro­chen männ­lich.

Dann wurde nach Napo­leon das katho­li­sche Rhein­land preu­ßisch, und es ging so nicht weiter. Und da erschien Köni­gin Luise wie geru­fen. Sie war gerade viel zu jung gestor­ben, mit vier­und­drei­ßig Jahren. Sie war schön und tugend­haft. Sie hatte viel für ihr Land getan. Sie stand auch für eine neue Zeit, in der Bürger genauso mitzähl­ten wie früher der Adel. Sie war eine Licht­ge­stalt.

Und ihre Lieb­lings­farbe war blau! Maria wird immer in blauem Mantel abge­bil­det. Und es stellte sich mit rück­wir­ken­der Kraft heraus, dass sie die Mutter des ersten Kaisers war!

Die Rhein­län­der konn­ten ihre Mari­en­ver­eh­rung naht­los auf Luise über­tra­gen. Und bald lernte man im ganzen Land, wie nütz­lich so eine bewun­derte weib­li­che Gestalt ist. Luise erscheint in den Schul­bü­chern als Vorbild. Der Luisen­kult war halb von oben geför­dert, halb kam er von unten, aus dem Volk. In Loui­sen­dorf, das wir schon besucht haben, kann man das gut fühlen. Aber auch sonstwo gibt es Luisen­stra­ßen, in Berlin eine ganze Luisen­stadt, und über­all hängen Abbil­dun­gen von Luise, in Haus Doorn sogar in jedem Zimmer.

Aber es gibt einen Unter­schied. Maria wurde bekannt­lich leib­lich in den Himmel aufge­nom­men; Luise aber starb und liegt seit­her im Mauso­leum im Park von Char­lot­ten­burg.

Dass Luise aber nicht als norma­ler Mensch ange­se­hen wurde, zeigt ein äußerst selt­sa­mes Denk­mal auf dem Markt­platz in Gran­see.

In Zoolo­gi­schen Samm­lun­gen findet man ausge­stopfte Tiere. Sie sehen aus wie Tiere, aber drin­nen ist Säge­mehl. Menschen stopft man nicht aus; die bildet man in Stein oder Bronze nach; aber die Idee ist dieselbe. Auf dem Ruinen­berg in Pots­dam gibt es sogar ausge­stopfte antike Ruinen, um der schö­nen Aussicht willen. Innen drin ist kein Säge­mehl, sondern Ziegel­steine; aber die Idee ist dieselbe.

Und in Gran­see steht unter einem Balda­chin ein ausge­stopf­ter Sarg. Aus Guss­ei­sen, entwor­fen von Schin­kel.

In Mauso­leen stehen manch­mal leere Sarko­phage, während der echte Leich­nam ein paar Meter darun­ter ruht. Das sind eigent­lich sarg­för­mige Grab­steine. Aber ein Sarg als Denk­mal mitten auf einem Markt­platz – so etwas habe ich sonst nirgendwo gese­hen.

Luise war in Neustre­litz bei einem Fami­li­en­be­such ganz plötz­lich gestor­ben. Als sie über­führt wurde, hat ihr Sarg, also der echte, in dem sie lag, eine Nacht in Gran­see Station gemacht, weil der Weg nach Berlin zu weit war. Das war genau drei Wochen vor Mariä Himmel­fahrt.

Zur Erin­ne­rung daran bestell­ten die Gran­seer ein Denk­mal. Nicht eines der Köni­gin, der Mutter des ersten Kaisers, sondern eines ihres Sarges. Er sieht ziem­lich echt aus, wie ein geschlos­se­ner Sarg eben aussieht, und er steht unter einem Balda­chin in Form eines Taber­na­kels. Inschrift: „An dieser Stelle sahen wir jauch­zend ihr entge­gen, wenn sie, die herr­li­che, in milder Hoheit Glanz mit Engel­freu­dig­keit vorüber­zog.“ Luise selbst ist schließ­lich ganz woan­ders.

Aus: Suche nach der Mitte von Berlin

print

Zufallstreffer

Berlin

Pauken und Trompeten

Die Älte­ren unter uns kennen sie noch, die meist betag­ten Herr­schaf­ten, die manch­mal auf die Höfe kamen und dort mit einem Akkor­deon oder einer Dreh­or­gel Musik mach­ten. Meine Oma wickelte dann immer einen Groschen in […]

Schreibe den ersten Kommentar

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*