Die Leichen leben noch

Sie haben so ihre Tage. Vor allem am dritten Sonntag im Januar sowie am 1. Mai öffnen sich die Gruften und längst vergessene Polit-Leichen steigen heraus. Ihre beste Zeit hatten die sogenannten K-Gruppen vor 30 Jahren, in der Bundesrepublik gab es so viele kommunistische Parteien, dass bald die Namen knapp wurden. Die KPD war ja verboten und hatte sich als DKP neu gegründet. Doch dann entstanden weitere wie KPD/ML, KPD/AO, KPD/Revolutionärer Weg, KPD/Roter Oktober, KBW, MLPD, KB usw. Und zum allem Überfluss auch noch die „Sozialistische Einheitspartei Westberlin“.
Jede hatte ihre eigene Ideologie, orientiert an einem bestimmten Punkt der Geschichte. Während die einen auf Kurs der DDR und der damaligen Sowjetunion waren, schwörten andere auf die SU unter Stalin, wieder andere auf das revolutionäre Russland Lenins. Auch die Trotzkisten hatten sich dort etwas herausgepickt. Es gab Gruppen, die Maos China während der Kulturrevolution für das wahren kommunistische Pradies hielten, fantasievoll war auch eine Partei, die sich ausgerechnet am stalinistischen Albanien unter Enver Hoxha orientierte. Was für ein bunt-roter Strauß an Ideologien!
Auch ein paar Anarchisten mischten mit sowie die Sponties (die nannten sich selbst so), aus denen sich später die Autonomen entwickelten. Wer weniger radikal war, galt schon als „Sozialfaschist“, wie die SPD oder ab Anfang der 80er die Grünen.

Natürlich war es klassenkämpferische Ehrenpflicht, noch vor dem Kapitalismus erstmal die rote Konkurrenz zu bekriegen. Und das wurde wörtlich genommen: Vor allem an einigen Universitäten ging man teilweise mit Stahlstangen aufeinander los, es gab immer wieder Verletzte. Die Hüter der wahren Lehre beschimpften die jeweils anderen Hüter als Revisionisten, Bourgeois, Abweichler.
Ein Makel dieser Möchtegern-Proletarier war, dass sie in Wirklichkeit sehr wenig mit der Arbeiterschaft zu tun hatten, die meisten waren Studenten, nur wenige stammten überhaupt aus Arbeiterfamilien. Die Konsequentesten von ihnen gingen in die Großbetriebe, zu Opel, Ford oder Thyssen. Dort wurden sie dann von den richtigen Arbeitern verprügelt oder im besten Fall toleriert. Doch zur Revolution oder wenigstens zum aktiven Klassenkampf konnten sie das Proletariat nicht bewegen. Das las auch weiterhin lieber die Bild-Zeitung, als die „Rote Fahne“.

Manche der Revolutionäre erkannten ihren Irrweg früh, sie schlossen sich den neu entstandenen Grünen an. In den 1980ern gab es einen Niedergang der K-Gruppen, sie wurden von der Öko-, der Besetzer- und der autonomen Bewegung zurückgedrängt. Mit dem Ende des „real existierenden Sozialismus“ ging es auch mit den Gruppen bergab, die eigentlich gar nichts mit der Sowjetunion zu tun hatten. Und so dachte man lange Zeit, dass dieses Phänomen längst vorbei wäre. Doch noch immer gibt es Gruppen von damals, mangels Masse tauchen sie nur noch selten auf. Ausnahmen sind die anfangs erwähnten „Feiertage“, die Liebknecht-Luxemburg-Demo in Berlin und der 1. Mai, immerhin Kampftag der Arbeiterklasse. Nicht dass die Revolutionäre auf der Straße dabei wären, aber sie nehmen den historischen Tag zum Anlass, in die Öffentlichkeit zu gehen, vor allem mit Plakaten. Was habe ich gestaunt, als ich im Wedding und Moabit zahlreiche Plakate der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“ entdeckte, auf denen sie forderten, „Vorwärts zum echten Sozialismus“ zu gehen. Erst vor kurzem hatte ich einen Aufkleber der FDJ gesehen, zwar keine ex-westdeutsche K-Gruppen, aber nicht weniger verbohrt. Auf den Websites vieler Gruppen klassenkämpferische Rhetorik vom Feinsten, ob „Arbeiterbund zum Wiederaufbau der KPD“ oder der „Rote Morgen“.
Halten wir also fest: Zwar hat der Sozialismus eine Niederlage erlitten, aber der Kampf geht weiter!

Das ist aber nicht nur ein Spruch, sondern leider bitter nötig. Denn hier schreibe ich nicht dagegen, dass es ein Kampf zwischen oben und unten überflüssig wäre. Mittlerweile läuft der Kapitalismus schließlich heiß, immer weniger Menschen finden in unserem Land noch eine Wohnung, Altersarmut und Obdachlosigkeit steigen, während die Konzerne unglaubliche Gewinne machen. Heute sind es nicht mehr nur ein paar Kapitalisten wie einst Flick, Krupp und Konsorten, sondern tausende Aktionäre. Doch die Verhältnisse sind die gleichen: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Dass die vielbeschworene soziale Marktwirtschaft nicht (mehr?) funktioniert, ist offensichtlich.
Ich glaube allerdings nicht, dass die Stalinisten dazu geeignet sind, eine andere, offene und gerechtere Gesellschaft zu formen. Dass dies jedoch nötig ist, bezweifele ich nicht.

Vorwärts zum Stalinismus:
KPD
KPD/ML
DKP
Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD
MLPD
FDJ

print

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*