Prinzipienbruch oder Reklametrick?
Juniorchef macht alles anders
Sein Vater hatte die Familienfirma beinahe zu Grunde gerichtet. Fast das gesamte Betriebskapital wurde verschwendet, um einen Markennamen zu erwerben, den sich der Vater in den Kopf gesetzt hatte. Hohe Kredite mussten aufgenommen werden, sodass überall eindrucksvolle Gebäude entstanden, die leider zu nichts nütze waren. Auch die Kosten für Reklame waren exorbitant.
Er, der Nachfolger, sah schon lange, was schief ging. Er durchschaute die korrupten, unfähigen leitenden Angestellten, die seinen Vater mit falschen Informationen versorgten. Gerne hätte er als Juniorchef geholfen, die Firma zu sanieren und zu modernisieren – aber er wurde kaltgestellt.
Erst als sein Vater gestorben war und ihm einen Haufen Schulden hinterließ, kam er zum Zuge. Nun wurde alles anders. Er setzte die Ausgaben für Reklame auf Null, verkaufte oder vermietete alle unnützen Immobilien und entließ unfähige Mitarbeiter. Er kümmerte sich persönlich um die kleinsten Einzelheiten der Betriebsprozesse, nicht nur in der Zentrale, sondern auch in entlegenen Filialen, und sparte ein, wo man einsparen konnte.
Nur bei der Qualität machte er keine Abstriche. Er selbst verzichtete auf jeden Luxus, entnahm der Firma nur das Nötigste für sich und reinvestierte wo er neue Chancen sah. Neue leitende Mitarbeiter suchte er äußerst sorgfältig aus.
Er wollte ein Vorbild sein; aber er verlangte sich selbst und allen anderen so viel ab, dass man ihn eher fürchtete als bewunderte.
Zur Erholung gönnte er sich nur ein Hobby. Da er über alles akribisch Buch führte, wusste er genau, wie teuer ihn das kam: für seine Begriffe unanständig teuer. Da er sich für diesen Bruch seiner eigenen Prinzipien schämte, hielt er die Ausgaben für sein Hobby geheim, so gut es ging.
Bis es dann jeder sehen konnte: „Der Chef hat mitten in einem Naturgebiet ein Gebäude errichtet nur für sich selbst und sein Hobby. Es dient in keiner Weise dem Firmenbelang.“ So etwas hatte es unter seiner Leitung noch nie gegeben, auch wenn es in anderen Firmen gang und gäbe war. Die Menschen nannten das Hobbygebäude „Schloss“.
Als er starb, war die Marke, die sein Vater erworben hatte, durch seinen unermüdlichen Einsatz weltberühmt geworden.
Seine Nachfahren konnten vom Gewinn der Firma in Luxus leben. Mit dem „Schloss“ aber konnten sie nichts anfangen. Es steht seither leer. Auch die heutige Eigentümerin weiß sich keinen Rat damit. Immerhin steht daneben ein Backofen, in dem ein paarmal im Jahr gutes Brot gebacken wird.
Jagdschloss Stern ist in den Wintermonaten geschlossen und auch sonst nur an einigen Tagen im Jahr zugänglich. Aber gerade heute, zum Erscheinen dieses Kapitels am 23. April 2017, kann es ab 14:00 besichtigt werden. Dazu bietet der Förderverein Jagdschloss Stern — Parforceheide Kaffee und selbstgebackenen Kuchen.
Das gesamte Veranstaltungsprogramm finden Sie auf: http://jagdschloss-stern.de