Begriffsverwirrung im Westen
In Köln am Rhein dagegen, in Düsseldorf und im Ruhrgebiet herrscht eine ganz andere begriffliche Unschärfe. Dort hat man in den Innenstädten nicht die Toten, sondern die Straßenbahnen unter die Erde gelegt. So stehen sie nicht im Stau, und die Reisenden werden nicht durch Aussicht abgelenkt, sondern können sich ganz auf die Reklame konzentrieren. Diese versenkten Straßenbahnstrecken sind gekennzeichnet durch ein weißes U auf rechteckigem blauem Grund, unter dem das Wort „Stadtbahn“ steht. Wenn die Menschen aus diesen Städten nach Berlin kommen, müssen sie alles neu lernen, was manchmal sehr schwerfällt.
Hier der Chat mit einem Kölner, der von Köpenick aus den Osten Berlins kennenlernen wollte. Ich riet ihm die Straßenbahn an und schickte ihm die WWW-Adresse des Straßenbahnnetzplanes.
[08:32:08] Hanno: Hier findest du das Straßenbahnnetz. Das bekommst du auch auf Papier am Bahnhof Köpenick. Köpenick ist echt ein Straßenbahn-Zentralpunkt.
[08:32:33] Harry: dass hätte ich nicht gedacht!
[08:32:51] Harry: diesen besagten Plan habe ich auf Papier und ständig dabei!
[08:33:05] Hanno: Den Plan habe ich noch nie bei dir gesehen.
[08:33:08] Harry: ohne diesen wär ich wohl schon in Moskau angekommen
[08:33:19] Hanno: „Straßenbahnnetz“ schrieb ich.
[08:33:21] Hanno: Straßenbahnnetz
[08:33:40] Harry: dass ist doch der kleine Faltbare, den ich dann immer verkleinere!!!
[08:33:53] Harry: habe diesen unverzichtbaren Plan. sonst geht es nicht!
[08:33:58] Hanno: S t r a ß e n b a h n n e t z . Kennst du den Unterschied zwischen Straßenbahn und S‑U-Bahn?
[08:35:19] Harry: grundsätzlich schon – für mich sind es eigentlich allgemein Straßenbahnen, bzw. eigentlich passt Züge besser
[08:35:39] Hanno: Es hat keinen Zweck. Ich will dir was erklären, und ich weiß natürlich, dass du das S‑U-Bahnnetz immer dabei hast. Aber ich rede vom Straßenbahnnetz. Das ist etwas anderes. Straßenbahnen fahren mitten auf der STRASSE.
[08:36:23] Harry: S – U – Bahn sind auch Strassenbahnen, wenn auf Strassen fahren – U‑Bahn fährt in Köln auch auf der Strasse !!!
[08:36:37] Harry: hier vielleicht nicht – aber es sind alles Züge!!!
[08:36:46] Hanno: Ich gebe auf.
[08:37:10] Harry: es sind alles Züge, ob es dann S oder U Bahnen sind –
[08:37:45] Hanno: Die S‑Bahn, das sind Züge der Bundesbahn. Für den Nahverkehr eingerichtete Eisenbahnen.
[08:37:49] Harry: jedenfalls habe ich den Plan, wo S / U, aber keine Bus und Tramp Verbindungen drauf sind
[08:37:57] Hanno: Ja, ich weiß.
[08:38:06] Harry: dass ist mir bekannt, dass die S von der DB ist
[08:39:21] Hanno: Die U‑Bahn, das sind ganz andere Züge. Die fahren hier immer entweder unter der Straße oder als Hochbahn und nur in ein, zwei Außenbezirken auf Straßenniveau. Aber auch da immer eingezäunt und für Fußgänger unerreichbar. Beide nennt man hier NICHT Straßenbahn. Wenn du darauf besteht, sie Straßenbahn zu nennen, können wir uns nicht verstehen. Du hast das S‑U-Bahn-Netz. Ich rede vom Straßenbahnnetz. Da stehen die Linien drauf, die man hier in Berlin Straßenbahn nennt. Dass sind also NICHT, WIRKLICH NICHT die S- und U‑Bahnen!Was ich sagen wollte:
[08:40:55] Harry: ok, aber es sind Züge – du “darfst” es nicht so eng sehen – es sind alles Züge und die brauche ich hier
[08:41:03] Hanno: Ok, ich gebe auf. Ich wollte dir einen Rat geben, aber ich komme nicht durch. Es gelingt mir nicht, deine Aufmerksamkeit auf einen Plan zu lenken, den du noch nicht kennst.
[08:41:50] Harry: oben auf der Karte steht “S” ” U” und “Bahn” Berlin Liniennetz Routemap (letzte Wort kursiv)
[08:42:33] Hanno: Ich wollte von etwas ANDEREM reden, aber ich komme nicht durch. Ende der Sendung.
[08:45:16] Harry: sei einfach etwas geschmeidiger
Gehirnerweichung, weil in seinem Heimatort am Rhein alle Begriffe durcheinandergehen.
In Berlin sind Straßenbahnen Straßenbahnen und sehen auch wie solche aus. Die Berliner Verkehrsgesellschaft BVG versucht, die Bezeichnung Tram einzuführen, weil das Druckerschwärze spart; aber es bleiben Straßenbahnen.
Dann gibt es U‑Bahnen, die wie die U‑Bahnen in London und Paris aussehen. Nur die haben ein weißes U auf rechteckigem blauen Grund. Wie in London und Paris fahren sie meist unterirdisch – deshalb das U – aber manchmal auch als Hochbahn auf einem stählernen Viadukt oder gar mitten durch ein Wohnhaus. Sie sehen anders aus als Straßenbahnen und riechen auch anders, weil sie den Strom nicht von einer Oberleitung, sondern von einer Stromschiene beziehen. Wenn man darauf pinkelt, stirbt man. Beide aber, Straßen- und U‑Bahn gehören der Gemeinde, nicht der Eisenbahngesellschaft. Meistens sind sie gelb. Aber kein Berliner würde sie verwechseln.
Ganz etwas anderes ist die S‑Bahn: eine für den Nahverkehr optimierte Eisenbahn der Reichsbahn, später Deutschen Bahn, wenn sie nicht inzwischen verkauft ist. Light rail. Sie hat seit den zwanziger Jahren ein weißes S – von Stadtbahn im Gegensatz zu Fernbahn – auf rundem, grünem Grund. Die Züge sind rot-ockerfarben. Viele Bahnhöfe haben einen Bahnsteig oder gar mehrere für die S‑Bahn und daneben einen oder mehrere für die Fernbahn.
Ja, die Berliner S‑Bahn hat auch Stromschienen und keine Oberleitungen. Dennoch würde kein Berliner sie mit der U‑Bahn verwechseln.
Es gibt einen einzigen Bahnhof, Wuhlheide, wo S- und U‑Bahn am selben Bahnsteig halten, und das auch noch gleichzeitig. Da kann man sich vom Unterschied überzeugen.
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