1936: Deutsche Luftfahrtsammlung in Moabit

Man wird sagen dürfen, dass der Beginn der Luft­fahrt auch der Beginn des Sammelns von Erin­ne­rungs­stü­cken an Perso­nen und Geräte dersel­ben ist. So fällt auch der Anfang der ersten Luft­fahrt­samm­lung in Berlin in das Jahr 1909, als Orville Wright auf dem Tempel­ho­fer Feld seine Motor­flüge vorführte, und als im September/Oktober auf dem neu geschaf­fe­nen Flug­platz Johan­nis­thal das “Erste Inter­na­tio­nale Wett­flie­gen in Deutsch­land” statt­fand. Seit­dem wurde in Johan­nis­thal das Restau­rant von Franz Tolin­ski an der Fried­rich- und Roon­straße zu einem belieb­ten Treff­punkt der vielen Flie­ger, die hier in den kommen­den Jahren üben und arbei­ten soll­ten. Aus den persön­li­chen Andenken und aus dem “Klein­holz” vieler zu Bruch gegan­ge­ner Flug­ap­pa­rate, das die Flie­ger dem Gast­wirt über­las­sen hatten, wurde sehr schnell eine umfang­rei­che Samm­lung, nach der Tolin­ski dann sein Restau­rant “Avia­ti­sches Museum” nannte. Die Samm­lung ist später in der Deut­schen Luft­fahrt­samm­lung aufge­gan­gen, in der sie einen beson­de­ren Raum hatte.

Als die Stadt Berlin, bezie­hungs­weise die von ihr gegrün­dete Flug­ha­fen-Gesell­schaft, 1924/25 an den weite­res Ausbau des Flug­ha­fens auf dem Tempel­ho­fer Feld ging, wurde am Nord­rand des Plat­zes, zwischen den hölzer­nen Flug­zeug­hal­len von 1923 und den drei neuen eiser­nen Hallen 1925 eine Bara­cke aufge­stellt, in der eine “Luft­fahrt­samm­lung von Berlin” unter­ge­bracht war. Diese Einrich­tung hatte keine lange Dauer, weil beim Ausbau der Flug­ha­fen­straße bis 1927 die alten Holz­hal­len und die Bara­cke der Stra­ßen­füh­rung im Wege stan­den und abge­bro­chen wurden. Der endgül­tige Ausbau­platz des Flug­ha­fens sah aller­dings wieder ein “Reichs­luft­mu­seum” vor.
Die erste kleine Luft­fahrt­samm­lung verschwand also im Maga­zin. Im Jahr 1929 kaufte die Stadt Berlin den Flug­platz Johan­nis­thal und einen großen Teil des angren­zen­den Fabrik­ge­län­des mit mehre­ren inzwi­schen still­ge­leg­ten Flug­zeug­fa­bri­ken. An der Südost­ecke des Flug­plat­zes befand sich die “Deut­sche Versuchs­an­stalt für Luft­fahrt”, kurz DVL genannt, für die in Britz am Mari­en­dor­fer Weg ein neues Betriebs­ge­lände vorge­se­hen war. Die DVL besaß eben­falls eine Samm­lung von Flug­zeu­gen und ande­ren Erin­ne­rungs­stü­cken an die Flie­ge­rei und an die Luft­fahrt im Allge­mei­nen. Diese Samm­lung und die der Stadt Berlin wurden nun in einer leer­ste­hen­den Fabrik­halle an der Rudower Chaus­see zusam­men­ge­legt und am 15. Novem­ber 1932 durch Ober­bür­ger­meis­ter Dr. Hein­rich Sahm dem Publi­kum über­ge­ben. In diesem “Luft­fahrt­mu­seum der Stadt Berlin” wurden, teils im Origi­nal, teils in Model­len, Stücke aus den ersten Jahren der Flug­ge­schichte gezeigt, ferner Bilder und Modelle von Luft­schiff­hal­len und Luft­schif­fen von Zeppe­lin, Schütte-Lanz, Parse­val und Siemens-Schu­ckert. Natür­lich fehlte nicht ein Ehren­raum der deut­schen Luft­fahrt mit Bildern verdienst­vol­ler alter Flie­ger und Konstruk­teure.

Auch diesem Luft­fahrt­mu­seum sollte kein langes Bestehen beschie­den sein. Nach­dem schon im April 1933 das neue Reichs­luft­fahrt­mi­nis­te­rium seine Hand auf die Samm­lung gelegt hatte, wurde sie am 1. Dezem­ber 1934 geschlos­sen und sollte in das Landes­aus­stel­lungs­ge­bäude in Moabit verlegt werden. Dieses Haus musste aber für die Zwecke der Samm­lung erst voll­stän­dig umge­baut werden, zum Beispiel durch Heraus­nahme fast aller Zwischen­wände, so dass man vorerst im Zeug­haus eine kleine Luft­fahrt­ab­tei­lung einrich­tete. 1935 begann der Einzug der Luft­fahrt­samm­lung in den “Moabi­ter Glas­pa­last” und im Sommer 1936, recht­zei­tig zu den Olym­pi­schen Spie­len, konnte das nun “Deut­sche Luft­fahrt-Samm­lung” genannte Museum eröff­net werden. Zuerst in der Verwal­tung der Berli­ner Flug­ha­fen­ge­sell­schaft, wurde es später der Wehr­macht unter­stellt; denn getreu dem Göring­schen Wort “Das deut­sche Volk muss ein Volk von Flie­gern werden”, war die Luft­fahrt­samm­lung nicht nur ein Tech­nik-Museum, sondern hatte auch die Aufgabe, in der Jugend die Begeis­te­rung für die Luft­waffe zu wecken.

Eine zeit­ge­nös­si­sche Beschrei­bung berich­tet über die Samm­lung, in der sich etwa 80 Flug­zeuge befan­den: “Unter den Origi­nal­flug­zeu­gen befin­den sich ein Wright-Doppel­de­cker (1909), Appa­rate von Jatho (1903) und von Grade (1909), die zu den ersten deut­schen Motor­flug­zeu­gen gehör­ten, ferner eine Etrich-Taube (1910), eines der ersten deut­schen Kriegs­flug­zeuge, ein von Richt­ho­fen geflo­ge­ner Alba­tros-Jagd­ein­sit­zer (1916) und zahl­rei­che andere Kriegs­flug­zeuge, darun­ter auch einige Maschi­nen der Gegner. Von neue­ren Maschi­nen sind bemer­kens­wert ein Ausschnitt des Nur-Flügel-Flug­zeugs J 100 von Profes­sor Junkers und das 1929 von den Dornier­wer­ken erbaute und 1934 außer Dienst gestellte, zwölf­mo­to­rige Wasser­flug­zeug Do X. — Die reich­hal­tige Moto­ren­samm­lung zeigt die Entwick­lung von den Anfän­gen bis zur jüngs­ten Zeit. In der Abtei­lung für Luft­schiff­fahrt steht unter ande­rem die Führer­gon­del des Marine-Zeppe­lins L 14 von 1915.”

1941 wurde das Museum geschlos­sen. Seine Samm­lungs­be­stände sind verschol­len oder sind zum Teil nach Osten ausge­la­gert worden. Der größte Teil der verla­ger­ten Flug­zeuge befin­det sich heute im polni­schen Museum für Luft- und Raum­fahrt in Krakau. Sicher ist, dass die unter den Trüm­mern des bomben­zer­stör­ten Glas­pa­las­tes liegende, wert­volle Do X bei der Abräu­mung der Ruine um 1950 mit besei­tigt wurde.
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1 Kommentar

  1. Vielen Dank für diesen ausführ­li­chen Abriß über die Deut­sche Luft­fahr­samm­lung. Ich hatte noch als Kind die Möglich­keit und das Vergnü­gen, diese Ausstel­lung besu­chen zu können.Ich habe sie noch heute vor Augen und bin dann noch immer von dem dama­li­gen Umfang, der Größe und der Art der Präsen­tie­rung einge­nom­men. Immer noch sehe ich die DO X vor Augen, die man über eine, mir damals riesig erschei­nende Metall­treppe betre­ten durfte, um einen Blick in das Cokpit werfen zu können (Steu­er­hör­ner aus Holz) und in den Passa­gier­raum (Pols­ter­ses­sel), um dann auf der ande­ren Seite an einer eben­sol­chen Metall­treppe wieder hinun­ter zu gehen. Wie haben sie dieses Riesen­ding nur hier herein­be­kom­men, habe ich mich damals gefragt. Wie damals in allen Museen üblich, herrschte eine straffe Aufsicht, und auch hier trugen die Aufse­her eine uniform­ähn­li­che Dienst­klei­dung mit einer stei­fen Dienst­mütze. Als ich an einem wunder­schö­nen Modell einer He 111 das Bug-MG berührte um fest­zu­stel­len, ob es auch beweg­lich sei, donnerte mir die Stimme der Ordnungs­macht entge­gen, wie es heute wohl nicht mehr ange­bracht wäre. Ich habe den Unter­gang dieser Samm­lun­gen stets bedau­ert und echt nach­ge­trau­ert — allein schon wegen der DO X.

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