„Vorurteile“ gegen Neonazis

In Neukölln gibt es seit mehreren Jahren immer wieder Anschläge gegen Antifaschisten. Autos und ein Jugendklub wurden angezündet, Nazi-Parolen geschmiert, es wurden auch Stolpersteine entfernt, die an deportierte Juden erinnern. Es trifft Politiker der Linken, der SPD, Unterstützer von Flüchtlingen und auch Menschen, die sich einfach nur gegen die Neonazis aussprechen.

Gleichzeitig existiert dort eine organisierte Neonaziszene, deren Mitglieder größtenteils bekannt sind. Polizei und Verfassungsschutz haben sie im Blick, haben sie schon bei einer Anschlagsvorbereitung überwacht, sie kennen ihre Mitglieder – und sie gehen offenbar auch mal zusammen einen trinken. Dies legt ein Bericht des ARD-Magazins Kontraste nahe. Demnach wurde beobachtet, wie einer der Hauptverdächtigen, Sebastian Thom, sich mit drei „Kameraden“ traf – und einem Beamten des Landeskriminalamtes. Der LKA-Mann ist normalerweise selber für Observationsmaßnahmen zuständig, war aber an diesem Tag gar nicht im Dienst. Nach dem Treffen fuhren er und der Neonazi Thom mit dem Privatwagen des Polizisten weg.

Der ehemalige neuköllner NPD-Chef Sebastian Thom wird seit Jahren verdächtigt, an Brandanschlägen beteiligt zu sein. Vor einem Jahr hörten sowohl die Polizei, als auch der Verfassungsschutz seine Telefonate ab. Sie konnten dabei live verfolgen, wie die Neonazis den Linken-Politiker Ferat Kocak bis zu dessen Wohnhaus observierten. Kurz darauf wurde Kocaks Auto angezündet, auch ein Teil des Wohnhauses wurde dabei beschädigt.

Schon länger gibt es die Vermutung, dass die Neuköllner Neonazis Unterstützung von staatlicher Seite haben. Nach vielen Jahren Anschlägen aus einem überschaubaren Kreis von Verdächtigen hält sich die Polizei auffallend zurück. Und nachdem der LKA-Kollege bei dem Treffen erwischt worden war, gab es zwar interne Ermittlungen – diese wurden aber von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Polizei teilte mit, dass gegen den Beamten „keine Disziplinarmaßnahmen erforderlich“ gewesen seien.

Der Linken-Politiker Kocak steht nun zwar unter Polizeischutz. Doch wenn die Neonazis einen so engen Kontakt zu mindestens einem LKA-Beamten haben, ist es fraglich, wie gut dieser Schutz wirklich ist. Zumal, wenn der Sprecher der Innenverwaltung die Anschuldigungen herunterspielt. Martin Pallgen sagte auf Anfrage der TAZ: „Der Rechtsstaat braucht Beweise, nicht Vermutungen oder gar Vorurteile“. Unter diesen Bedingungen ist kaum zu erwarten, dass endlich mal konsequent gegen diese Neonazigruppe und ihre Kontakte innerhalb der Polizei vorgegangen wird.

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