Heuchlerische Aufregung

Es ist so pein­lich, was da gerade geschieht. Der Vorsit­zende der SPD-Jugend­or­ga­ni­sa­tion, Kevin Kühnert, hat ein Inter­view gege­ben. Darin spricht er sich für eine Kollek­ti­vie­rung von Groß­kon­zer­nen aus sowie dafür, dass Bürger nur noch “maxi­mal den Wohn­raum besit­zen, in dem sie selber wohnen.”
Dies sind Forde­run­gen, die seine Partei SPD früher selber mal vertre­ten hat, und nicht nur die: Selbst die CDU hatte dies in den ersten Nach­kriegs­jah­ren vertre­ten, in den Zeiten vor dem “Wirt­schafts­wun­der”.

Nun aber schlägt die CDU-FDP-AfD auf Kühnert ein, behaup­tet lächer­li­cher­weise, er würde die DDR zurück haben wollen. In der Diskre­di­tie­rung der poli­ti­schen Gegner lassen sie jeden Anstand fallen und blasen zur Hetz­jagd. Dass da auch mit Lügen und poli­ti­schen Verleum­dun­gen hantiert wird, ist einfach nur schä­big.
Weni­ger eklig, aber leider auch in die glei­che Rich­tung, gehen einige Reak­tio­nen inner­halb der SPD. Und auch von den Grünen kommen Verglei­che mit dem Kommu­nis­mus und der DDR.

All diese “Kriti­ker” igno­rie­ren, dass sich Kevin Kühnert von bishe­ri­gen Formen des Sozia­lis­mus wie in der DDR distan­zierte, unter ande­rem aufgrund des ekla­tan­ten Mangels an demo­kra­ti­scher Mitbe­stim­mung. Seine Vorstel­lung vom demo­kra­ti­schen Sozia­lis­mus ist “kein auto­ri­tä­res Konzept”, schreibt er auch in dem Inter­view. Zumal der Begriff des demo­kra­ti­schen Sozia­lis­mus einst von den Sozis geprägt wurde.

Dass die rech­ten — und nicht nur die — Parteien nun das Gespenst des Sozia­lis­mus an die Wand malen, ist heuch­le­risch. Denn wenn man sich anschaut, wie wenig der heutige Kapi­ta­lis­mus es schafft, den Menschen einen vernünf­tig bezahl­ten Job, bezahl­bare Wohnun­gen oder eine saubere Umwelt zu bieten, ist klar, dass er nicht die Perspek­tive sein kann.

Das was Kevin Kühnert fordert ist nicht der Kommu­nis­mus. Er stellt nicht mal den Kapi­ta­lis­mus infrage, sondern will eine demo­kra­ti­sche Kontrolle der Indus­trie und des Groß­ei­gen­tums. Weil dieses nämlich eigent­lich zu sozia­lem Handeln verpflich­tet ist. Arti­kel 14 des Grund­ge­set­zes, Absatz 1 und 2:
“Eigen­tum verpflich­tet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allge­mein­heit dienen.
Eine Enteig­nung ist nur zum Wohle der Allge­mein­heit zuläs­sig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Geset­zes erfol­gen, das Art und Ausmaß der Entschä­di­gung regelt. […]”.
Ist die Verfas­sung der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land jetzt auch schon kommu­nis­tisch?

Auch wenn es den Rech­ten und Bürger­li­chen nicht gefällt: Kevin Kühnert hat recht und die Diskus­sion darum wie es ange­sichts der Wohnungs­not sowie stei­gen­der Armut trotz brei­ter Beschäf­ti­gung weiter­ge­hen soll, wird man nicht verhin­dern können. Wenn die so hoch gelobte “Markt­wirt­schaft” nicht in der Lage ist, ihren Bürger*innen ein ange­mes­se­nes Leben zu ermög­li­chen, braucht sie sich nicht zu wundern, wenn sie irgend­wann tatsäch­lich abge­schafft wird.

Der Kapi­ta­lis­mus hat nach dem Ende der DDR seine Chance gehabt, um zu bewei­sen, ob er das bessere System ist. Vor allem die letz­ten Jahre haben aber gezeigt, dass nur die Reichen immer reicher werden, die einfa­che Bevöl­ke­rung davon aber nichts hat, sondern wirt­schaft­lich immer weni­ger klar kommt. Es wird also nötig sein, sich Gedan­ken über eine Alter­na­tive zu machen, außer­halb vom Sozia­lis­mus à la DDR und von der heuti­gen Form des Kapi­ta­lis­mus’. Kevin Kühnert hat dazu ein paar Forde­run­gen aufge­stellt, die in diese Rich­tung gehen. Und es ist nötig, diese zu disku­tie­ren.

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3 Kommentare

  1. die aufre­gung um kevin kühnerts ausfüh­run­gen ist schein­hei­lig, beson­ders die von den grünen und der spd. dass es so wie bisher nicht ewig weiter­ge­hen kann ist doch klar. wenn das jetzige system nicht in der lage ist, die krimi­nel­len machen­schaf­ten der unter­neh­mer zu unter­bin­den, muss sich grund­le­gend was ändern. er hat völlig recht!

  2. Schade dass Kevin Kühnert sich nun zurück­ge­zo­gen hat. Bei der aktu­el­len Entwick­lung der Gesell­schaft nach rechts wäre er eine wich­tige Stimme.

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