Anfangs wollte sie erst niemand haben, dann aber wurde sie zum Renner: Die Stadtbahn, die sich auf über 700 Bögen von Charlottenburg quer durch die West- und Ost-City bis nach Friedrichshain schlängelt, ist heute eine der wichtigsten Nahverkehrsstrecken der Stadt. Ab Februar 1882 verband sie mehrere der verstreut liegenden Fernbahnhöfe, wie Charlottenburg, Bahnhof Zoo, Lehrter Bahnhof und den Ostbahnhof. Dazwischen lagen so wichtige Stationen wie die Friedrichstraße und der Alexanderplatz.
Ursprünglich floss an Stelle der Bahn der “Königsgraben”, der so königlich gar nicht war: Er stank erbärmlich und war eigentlich nur ein Überbleibsel der alten Befestigungsanlagen im heutigen Bezirk Mitte. Nur weil das Gelände dem Staat gehörte, konnte die Anlage dort gebaut werden. Ein Kauf der Grundstücke für die über 12 Kilometer langen Strecke wäre unmöglich gewesen. So aber entstand nach der Idee von Baustadtrat August Orth und Plänen des Architekten Ernst August Dircksen ein Bauwerk, das nicht nur eine perfekte Verbindung innerhalb der Stadt darstellt, sondern in den hunderten Bögen Platz für Gewerbe aller Art bot. Noch heute findet man in den Stadtbahnbögen z.B. rund um die Stationen Savignyplatz, Friedrichstraße oder Hackescher Markt zahlreiche Restaurants und Kneipen, Geschäfte, Werkstätten oder Ateliers.
Die Stadtbahn ist ein wirkliches Kind Berlins und hat somit eine wichtige Bedeutung in unserer Geschichte. Mit der Teilung der Stadt war auch die Stadtbahn halbiert. Der Bahnhof Friedrichstraße war ihre Schleuse, hier trafen sich die Züge aus West- und Ost-Berlin — allerdings auf hermetisch voneinander getrennten Bahnsteigen. In ihrem Bauch war der Grenzübergang eingebaut, noch heute kündet der Tränenpalast davon.
Heute fahren etwa 100 Fern‑, 200 Regional- und 600 S‑Bahn-Züge über die Viadukte, die Ende der 90er Jahre grundsaniert wurden. Mit dem neuen Hauptbahnhof ging ein Teil der alten Strecke verloren, die neue verläuft nun einige Meter versetzt. Doch an den meisten Stellen sind die alten Gemäuer noch erkennbar. Und es macht Spaß, mal einen Teil davon zu Fuß abzulaufen.
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