Trauerlüge

Als gestern die Trau­er­feier für drei in Afgha­nis­ten getö­tete Bundes­wehr­sol­da­ten statt­fand, zog Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel ihr schöns­tes Betrof­fen­heits­ge­sicht auf. Sie sagte, wie wich­tig ihr es doch wäre, auf dieser Feier spre­chen zu dürfen. Komisch, am Mitt­woch wusste sie noch nicht mal, ob sie über­haupt teil­neh­men will. Aber egal, es passt zum Betrof­fe­nen­kult, der seit einer Woche durch’s Land zieht.
Was ist aber eigent­lich passiert? Da wurden drei Solda­ten getö­tet, in einem frem­den Land, von — was man bisher weiß — Bewoh­nern eben dieses Landes. Das ist natür­lich vor allem für die Hinter­blie­be­nen sehr schlimm. Aber wären ihre Söhne oder Männer gar nicht erst dort hinge­gan­gen, würden sie noch leben.

Selbst­ver­ständ­lich kann es vernünf­tige Gründe geben, dass Solda­ten in ein frem­des Land einmar­schie­ren. Dass die Alli­ier­ten 1945 Deutsch­land unter­wor­fen haben, ist natür­lich nur als Befrei­ung zu werten, auch wenn die das damals gar nicht so gemeint haben. Sie haben sich ledig­lich gegen die Angriffs­kriege des NS-Staa­tes gewehrt, die deut­sche Bevöl­ke­rung war ihnen egal. Sonst hätten sie nicht Dres­den bombar­diert, sondern die Bahn­schie­nen nach Ausch­witz, auf denen auch deut­sche Juden ins Gas trans­por­tiert wurden.

Erin­nern wir uns: Der Afgha­ni­stan­krieg wurde begon­nen, nach den Terror­an­schlä­gen auf’s World Trade Center und das Penta­gon. Es war der erste Angriffs­krieg, der von den Verein­ten Natio­nen abge­seg­net wurde, das Ziel war die Zerschla­gung des Tali­ban-Regimes, die den Terro­ris­ten der al-Qaida Unter­schlupf gewährt haten. Mit der glei­chen Begrün­dung wurde zwar auch der Irak ange­grif­fen, aber das war ja eindeu­tig eine Nebel­kerze, die al-Qaida hatte es dort bis dahin wohl nie gege­ben. In Afgha­ni­stan war der Krieg inner­halb weni­ger Monate gewon­nen. Die Regie­rung war gestürzt, die isla­mi­schen Terro­ris­ten Rich­tung Paki­stan vertrie­ben.

Die Bundes­wehr betei­ligt sich seit Januar 2002 an diesem Krieg, mehr als 4000 Solda­ten sind seit­dem stän­dig in Afgha­ni­stan. Anfangs ging es noch darum, das “befreite” Gebiet zu demo­kra­ti­sie­ren. Die Deut­schen hatten dort nicht so schlech­ten Ruf wie die US-Armee und waren zudem in einem Gebiet einge­setzt, das als nicht so gefähr­lich galt. So konn­ten sie sich mit zivi­lem Aufbau beschäf­ti­gen, Brun­nen bohren, Schu­len bauen, Poli­zis­ten ausbil­den. Doch der Krieg war mit dem Sturz des Tali­ban-Regimes nicht vorbei. Plötz­lich gab es über­all in der afgha­ni­schen Bevöl­ke­rung Menschen, die die auslän­di­schen Armeen nicht mehr nur als Befreier, sondern als Besat­zer betrach­te­ten. Dazu trug vor allem das arro­gante Verhal­ten der Sieger bei, die im Alltag gerne mal auf vermeint­li­che Feinde schos­sen. Die zivi­len Opfer dieses Krieg gehen mitt­ler­weile in die Tausende, dort gibt es weit mehr Tote, als unter den Solda­ten. Aber der “Kampf gegen den Terror” geht weiter, mit allen Mitteln. Präsi­dent Karsai, der von den Inva­so­ren einge­setzt wurde, sollte seinem Land die Demo­kra­tie brin­gen. Ob die Afgha­nen die über­haupt wollen, wurden sie nicht gefragt. Statt­des­sen setzte er sich an der Spitze des Staa­tes fest, erwei­terte die Todes­stra­fen, zwang per Gesetz Frauen, wöchent­lich Sex mit ihren Ehemän­nern zu haben, wenn die es woll­ten. Seine Fami­lien und sein Stamm bauten eine korrupte Verwal­tung auf, die mitt­ler­weile das ganze Land umfasst. Die ersten Wahlen wurden so mani­pu­liert, das Karsai heute die Funk­tion eines Dikta­tors hat, nicht die eines gewähl­ten Regie­rungs­chefs.
Und die Deut­schen? Sie behaup­ten immer noch, dort die Demo­kra­tie zu unter­stüt­zen, eine Demo­kra­tie übri­gens, die selbst hier bei uns immer weni­ger Menschen begeis­tert. Ob die für Afgha­ni­stan das rich­tige System ist, wird eh nicht gefragt.
Die Bundes­wehr hat in Afgha­ni­stan nichts mehr zu suchen. Sie scha­det dort mehr, als dass sie nützt. Dass es mitt­ler­weile in sämt­li­chen Landes­tei­len Anschläge gegen die auslän­di­schen Solda­ten gibt, zeigt auch, dass die Angrei­fer in der Bevöl­ke­rung Rück­halt haben.

Eine andere Frage ist, wieso der einzelne Soldat über­haupt nach Afgha­ni­stan geht. Wer sich frei­wil­lig bei der Bundes­wehr verpflich­tet, weiß, was er für ein Risiko eingeht. Solda­ten töten andere Menschen und können auch selbst im Kampf getö­tet werden. Das ist keine neue Erkennt­nis und wenn sich jemand für diesen Weg entschei­det, dann muss er sich auch über die Konse­quen­zen klar sein. Und die heißen im schlimms­ten Fall eben, selbst verletzt zu werden oder zu ster­ben.
Ich verstehe deshalb nicht, wieso jetzt so um die Toten “getrau­ert” wird. Wobei das ja keine wirk­li­che Trauer ist, kaum jemand kannte sie ja persön­lich. Und gerade die Poli­ti­ker, die diese Einsätze auch noch mittra­gen, soll­ten erst recht nicht von Trauer reden, denn sie haben eine Mitschuld an daran. Die Bundes­wehr­sol­da­ten, die bisher in Afgha­nis­ten gestor­ben sind, waren alles Frei­wil­lige. Niemand hat sie gewzun­gen, zur Armee zu gehen. Viel­leicht waren sie naiv, viel­leicht war es ihnen auch egal, was passie­ren kann. Mögli­cher­weise haben sie die Bundes­wehr auch mit dem Tech­ni­schen Hilfs­werk verwech­selt. Oder sie hatten sogar Spaß an der Armee, das wäre für mich der verach­tens­wer­teste Grund.
Wenn ich aber heute im Fern­se­hen Merkel und Gutten­berg vor den Särgen der toten Solda­ten sehe, mit ihren verlo­gen aufge­setz­ten Trau­er­ge­sich­tern, dann kann ich das nur als Farce bezeich­nen.
Zieht die Armee aus Afgha­ni­stan zurück, dann braucht Ihr auch nicht so zu tun, als würdet Ihr um sie trau­ern!

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3 Kommentare

  1. Wenn ich Thea­ter will, geh ich auch dort hin. Selbst­dar­stel­ler haben in der Poli­tik nichts mehr verlo­ren. Alles nur noch/oder schon immer billige Propa­ganda! (meine subjek­tive Meinung am Morgen)

  2. Ich frage mich ob der Bundes­re­gie­rung tatsäch­lich klar ist warum und mit welchem Ziel die Bundes­wehr eigent­lich da einge­setzt ist. Die Geschichte mit dem World Trade Center halte ich eher für einen Vorwand. Warum waren denn die RUSSEN solange in Afgha­ni­stan und mit welchem Ergeb­niss und zu welchem Preis? Erfol­reich waren Sie wohl kaum. Die Solda­ten die da einge­setzt sind, sind Berufs­sol­da­ten die sich für diesen Weg entschie­den haben. Der Verdienst oder das Sold wird sicher auch zur Entschei­dung beigetra­gen haben. Nächs­tes Jahr fangen die Ameri­ka­ner Ihren Rück­zug an, blei­ben wir Deut­schen dann da?

  3. Schon die Briten haben sich in Afgha­ni­stan verho­ben, die Bundes­wehr dort tut es offen­bar auch. Ich kenne einen, der dort ist um sein Haus zu finan­zie­ren. Jeder der dort hingeht, tut es mehr oder weni­ger frei­wil­lig. Solange dort jahre­lang Waffen rein­ge­pumpt wurden, war es dem Westen recht, dass dort Terro­ris­ten ausge­bil­det und rekru­tiert wurden, aber damals ging es ja um den “Klas­sen­kampf” gegen den bösen Kommu­nis­mus. Keiner hat (im Westen) verstan­den, dass man dort nicht den Ost-West-Konflikt ausfech­ten kann, viel­leicht mit Ausnahme von Peter Scholl-Latour

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