Tanz in der Nacht

Kurz vor Mitter­nacht. Am Ostbahn­hof ist es fins­ter. Nicht innen, aber unmit­tel­bar davor. Die Straße, die vor der großen Halle mit dem Haupt­ein­gang vorbei­führt, hat zwar ein paar riesige Later­nen­türme — die sind aber schon ewig abge­schal­tet und tauchen den Platz nur ins Dunkel. Ledig­lich ein paar Bauschein­wer­fer spen­den etwas Licht.
Der Junge, der aus der Halle auf die Straße tänzelt, etwa 16 Jahre alt, sehr dünn, trägt einen Kapu­zen­pull­over mit einen ollen Anorak drüber. Er läuft den Moon­walk von Michael Jack­son, mitten auf der Straße, so grazil wie das Origi­nal. Viel­leicht kommt er gerade von seiner oder seinem Liebs­ten, hat gerade ein tolles Tref­fen hinter sich. Viel­leicht auch seinen ersten Sex, wer weiß.
Auf der ande­ren Stra­ßen­seite liegt fins­ter das Buswar­te­häus­chen, hier setzt er sich rein, streckt seine langen dürren Beine von sich, aber man sieht, dass sein ganzer Körper weiter vibriert.
Dann hält er es nicht mehr aus, er springt hoch und tanzt vor dem Warte­häus­chen herum. Es ist nicht das Tanzen eines Besof­fe­nen, sondern elegant, leicht und dabei schein­bar konzen­triert. Es macht Spaß, ihm dabei zuzu­schauen, auch wenn die ältere Dame, die auf der Bank sitzt, das offen­bar anders sieht. Plötz­lich bleibt er stehen, regungs­los, auf den Zehen­spit­zen, wie ein Ballett­tän­zer nach einer Pirou­ette.
Dann das jähe Ende: Hell und wuch­tig bret­tert der BVG-Bus an meinem Taxi vorbei und schiebt sich eifer­süch­tig zwischen den Tänzer und seinen Zuschauer. Er verschluckt ihn, und als der Bus stöh­nend verschwin­det, ist da nur noch das dunkle Loch der Warte­halle.
War da eben noch was?

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