Ertrunken in der Datenflut

Egal, wer Innen­mi­nis­ter ist — man hat immer Ärger mit ihnen. Ob SPD oder CDU, Innen­mi­nis­ter wollen Gesetze verschär­fen, Über­wa­chung ausbauen, Repres­sion verstär­ken, das ist eine alte Erfah­rung. Viel­leicht gibt es ja ein spezi­el­les Gen, das Innen­mi­nis­tern nach ihrer Ernen­nung einge­pflanzt wird und das sie dann sowas wie Persön­lich­keits­rechte, Zivil­cou­rage, Recht auf Selbst­be­stim­mung usw. verges­sen lässt…?

Das neuste Modell heißt Wolf­gang Schäuble und versucht mal wieder, seinen Vorgän­ger Otto Schily zu über­trump­fen. Nicht, dass sich Schily als beson­dern libe­ral oder gar zurück­hal­tend profi­liert hätte, ne, ne, der stand auch schon in der Tradi­tion von Zörgie­bel und Big Brot­her. Aber Schäuble schießt nun mit seinen Plänen zur Rund-um-Über­wa­chung in allen Lebens­be­rei­chen einen Bock nach dem ande­ren. Erschre­ckend ist sein Vorstoß in Sachen Über­wa­chung von priva­ten Compu­tern. Troja­ner möchte er einset­zen, also viren­ähn­li­che Programme, die es ermög­li­chen sollen, dass die Über­wa­chungs­or­gane in Deutsch­land befind­li­chen Compu­ter durch­su­chen können. Mal abge­se­hen davon, dass das so tech­nisch (noch) gar nicht möglich ist, es ist auch ille­gal.

Aber schon jetzt dürfen Ermitt­lungs­or­gane auf die Logfiles der Provi­der zugrei­fen, die sie jetzt spei­chern müssen. Dabei fallen aller­dings unüber­schau­bare Mengen von Daten an und es stellt sich die Frage, was damit passie­ren soll. Denn die meis­ten deut­schen Poli­zei­dienst­stel­len bis hin zu den Landes­kri­mi­nal­äm­tern sind nicht oder nur sehr begrenzt in der Lage, diese Daten über­haupt auszu­wer­ten. Sehr schön auch die Naivi­tät mancher Ermitt­ler, wie eine Kommen­ta­to­rin im Spree­blick-Blog schrieb:
“Anstelle dessen kommen bei uns Anfra­gen per Fax rein, lt. denen Gerichte die Logfiles für den und den Server zuge­faxt haben wollen. … Gut. Habe ich dann gemacht. Nach ca. 150 Faxsei­ten rief er an und fragte, wieviel noch kommen. Musste ich ihm antwor­ten: Noch etwa 420.000 Seiten und ich könnte jetzt nicht weiter mit ihm tele­fo­nie­ren, ich muss die nächste Sack­karre voll bedruck­tem Papier zum Faxge­rät schie­ben.”
Spree­blick veröf­fent­lichte nun ein Inter­view mit dem Tech­ni­schen Leiter eines Inter­net-Provi­ders, der öfter mit solchen Anfra­gen beschäf­tigt ist. Er erklärt darin, dass es den Ermitt­lern prak­tisch unmög­lich ist, diese Daten auszu­wer­ten. Sie haben weder das Wissen, noch die tech­ni­schen Möglich­kei­ten, aus der Daten­menge die wesent­li­chen Infor­ma­tio­nen heraus­zu­fil­tern. Zumal oft nicht mal die Infos gespei­chert werden, die sich ein Staats­an­walt erhofft. Alle rele­van­ten Daten können zudem verschlei­ert werden, gerade wirk­li­che Terro­ris­ten kennen sich in diesem Punkt sicher besser aus, als die poli­zei­li­chen Ermitt­ler.

In dem Inter­view macht sich der Tech­ni­sche Leiter auch Gedan­ken zum Sinn des Spei­cherns von Daten, weil in der Regel keine Straf­ta­ten verhin­dert werden könn­ten, wie das Beispiel 11. Septem­ber zeigt. Damals waren zwar alle Infor­ma­tio­nen zum geplan­ten Anschlag irgendwo gespei­chert, aber es gab nieman­den, der all diese Daten hätte auswer­ten können.
“Das ist über­haupt der größte Irrtum: Man kann mit solchen Maßnah­men nichts verhin­dern und daher machen sie unser Leben auch nicht siche­rer.
Übri­gens: schon mal drüber nach­ge­dacht, dass der beson­dere Aspekt von Selbst­mord­at­ten­tä­tern unter ande­rem ist, dass sie selten Wieder­ho­lungs­tä­ter sind?
Nach­träg­li­che Aufklä­rung hat somit nicht einmal präven­tive Wirkung.”

Es ist ein sehr lesens­wer­tes Inter­view, das manche inter­es­sante Infor­ma­tio­nen beinhal­tet.

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Zufallstreffer

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