Sprechende Straßen

Von meinen Fahr­gäs­ten wurde ich immer wieder mal gefragt, wie ich mir all die vielen tausend Stra­ßen­na­men und ihre Lage merken kann. Selbst wenn ich ihnen sage, dass ich viel­leicht nur 3.000 davon kenne, sind sie noch beein­druckt. Dabei gibt es oft einfa­che Tricks, sich die zu merken. Denn in vielen Vier­teln sind die Stra­ßen thema­tisch sortiert, wie im Komponisten‑, Blumen‑, Hand­wer­ker- oder im West­fä­li­schen Vier­tel. Dass man den Astern­platz am Bota­ni­schen Garten findet, ist dabei so wenig über­ra­schend wie die Tatsa­che, dass sich die Brun­nen- und Badstraße im Gesund­brun­nen befin­den. Nicht alle Stra­ßen­na­men sind so lieb­los ausge­wählt wie die Breite Straße oder gar die Chaus­see­straße, die prak­ti­scher­weise nach sich selbst benannt ist.

Oft sind die Namen ja nur zur Ehrung bestimm­ter Leute oder einer Perso­nen­gruppe benannt. In Berlin sind das gerne preu­ßi­sche Mili­tärs wie Yorck oder Gnei­se­nau oder adlige Poten­ta­ten, die oft eher den Kerker verdient hätten, als eine eigene Straße. Ob das Hinden­burg ist, die Kurfürs­ten, Mark­gra­fen oder sons­tige Vertre­ter eines längst vergan­ge­nen Reiches.

Die zwei genann­ten Stra­ßen Brun­nen- und Badstraße liegen im heuti­gen Orts­teil Gesund­brun­nen. Anfang des 18. Jahr­hun­dert soll eine Mülle­rin neben der heuti­gen Panke­brü­cke dem erschöpf­ten preu­ßi­schen König Fried­rich I. bei einer Rast ein Becher Wasser aus einer Quelle gereicht haben, der ihm sofort wieder frische Kräfte gab. Doch erst Fried­rich II. ließ dieses Wasser 50 Jahre später vom Hofapo­the­ker Hein­rich Wilhelm Behm vermark­ten. Der legte dort 1757 auch eine öffent­li­che Fluss­ba­de­an­stalt an, die 1809 zu Ehren der Köni­gin Luisen­bad genannte wurde. Das Bad zog immer mehr Ausflüg­ler an, in der unmit­tel­ba­ren Nach­bar­schaft siedel­ten sich mehr als 40 Cafés, Bier­gär­ten, Tanz­lo­kale und Varie­tés an.
Doch der Gesund­brun­nen, wie die Gegend mitt­ler­weile hieß, wurde immer weiter zuge­baut, die Indus­tria­li­sie­rung erfor­derte Wohn­raum für die Arbei­ter. Als in den 70er Jahren des 19. Jahr­hun­derts das impo­sante Eckhaus direkt an der neu errich­te­ten Badbrü­cke gebaut wurde, beschä­dig­ten Bauar­bei­ter die Quelle. Wenn einem die rich­tige Tür geöff­net wird, kann man sie zwar noch heute sehen, aber sie führt kein Wasser mehr. Dafür prangt an der Außen­fas­sade noch heute ein mehrere Meter großes Relief, auf dem der alte Brun­nen­pa­vil­lon darge­stellt wird.
Und an die Geschichte der Quelle erin­nern nicht nur die Brunnen‑, Bad- und Behm­straße sowie der Brun­nen­platz, sondern sogar der Name des gesam­ten Stadt­teils.

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