Das Gewerkschaftshaus am Engeldamm

Am 31. März 1900 wurde das neue Gewerkschaftshaus am Luisenstädtischen Kanal an der Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg eröffnet. Das Haus am Engelufer (ab 1937 Engeldamm) wurde in den folgenden Jahren zur Zentrale der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Im Vorderhaus hatten die meisten der damals 92 Berliner Einzelgewerkschaften ihre Büros. Im Erdgeschoss war der zentrale Arbeitsnachweis untergebracht, in den Hinderhäusern gab es Säle verschiedener Größe für bis zu 1000 Personen. Außerdem konnten 200 Menschen untergebracht werden. Bald hatte sich in der Öffentlichkeit der Name „Rote Engelburg“ durchgesetzt, da die meisten Gewerkschaften zu dieser Zeit sozialistisch ausgerichtet waren.
Das Gewerkschaftshaus erfreute sich großer Beliebtheit, aufgrund der großen Nachfrage wurden sogar wöchentliche Führungen durch den Komplex angeboten. Auch die sozialdemokratische Reichstagsfraktion kam zu Besuch.
Traurig berühmt wurde das Haus, als es die SA am 2. Mai 1933 besetzte, das Foto mit dem Einzug der Nazis ging damals um die Welt. In den folgenden Tagen und Wochen wurden die Gewerkschaften zerschlagen und durch die NS-Organisation „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) ersetzt, die das Gebäude zusammen mit der Gauverwaltung Berlin der Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) nutzte. Das Gewerkschaftshaus wurde in „Haus der deutschen Arbeit“ umbenannt.

Während der Krieges wandelte sich langsam die Nutzung des Hauses, es wurden immer mehr Betten für Kriegsopfer eingestellt, schließlich übernahm das Rote Kreuz das Gebäude komplett als Notkrankenhaus. Allerdings gab es durch die Bombardierungen im Februar 1945 schwere Schäden, ein Teil der Quergebäude wurde zerbombt und auch später nicht mehr aufgebaut.

Nach dem Ende des Faschismus blieb das Gebäude als Krankenhaus erhalten. Als im August 1961 die Mauer gebaut wurde, wurde der Engeldamm zum Grenzgebiet. Mitten auf der Straße verlief die Hinterlandmauer, so dass man aus dem Ex-Gewerkschaftshaus direkt auf den Todesstreifen blickte.
Auch nach dem Ende der DDR diente das Haus noch der Medizin, von 1992 bis 1997 wurde es vom Tropeninstitut des Landes Berlin genutzt, seitdem ist es privat vermietet.

Berliner Illustierte:
„Von der Herberge für den wegmüden, fremden Arbeiter bis zur Kegelbahn, vom großen Versammlungssaal bis zu den Baderäumen, vom Restaurant bis zur Waschküche ist in reichster und mannigfaltigster Art für alles vorgesorgt, was man von einem Gewerkschaftshaus im Sinne der modernen Arbeiterschaft verlangen kann.
Das schmucke Vorderhaus enthält zwei Verkaufsläden und ein großes Restaurant, das durch die Berliner Schultheiß-Brauerei betrieben wird. Die ersten drei Stockwerke enthalten die Büros für die Gewerkschaften, während für kleinere Gewerkschaften, die nur periodisch einen Raum für Arbeitsnachweise brauchen, ein Saal mit Tischen eingerichtet ist.
Weitaus der interessanteste Teil ist das zweite Quergebäude. Hier befindet sich die Herberge mit 200 Betten. Luftige, saubere, anheimelnde Räume. Ein Nachtquartier kostet hier von 40 bis 45 Pfennige. Hier ist der zugereiste Arbeiter prächtig aufgehoben. Auch ein Lesesaal ist da, in den Seitenflügeln und in den anderen Stockwerken befinden sich noch einige separierte Logiszimmer.“

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