Zum ersten Mal nach einem Jahrhundert der Verwicklungen und Zusammenstöße gibt es zwischen Deutschland und Russland keine wirklichen Probleme mehr. Karl Schlögel schildert diese wechselhafte Beziehung im Mikrokosmos Berlin. Und er kommt zu dem Schluss: Es bedarf heute keiner Notgemeinschaft und keines Geistes von Rapallo mehr. Das neue russische Berlin ist ein ganz anderes.
In fünfzehn Kapiteln folgt Schlögel den Fäden und Linien, die nach Berlin hinein- und aus ihm herausführen, treibt er Stollen und Sonden in nahezu unerschlossenes Terrain. Es gibt Kapitel, die sich um soziale Orte gruppieren, andere entwerfen eher eine Typologie der Stadt mit ihren Agenten und Diplomaten, ihren Emigranten und Offizieren. Perspektiven werden verglichen, Traditionen und Verarbeitungsweisen nebeneinandergestellt. Vieles spricht heute dafür, dass die alte Konstellation niemals mehr auftreten wird, die Wendung in die Katastrophe nicht mehr zwingend ist. Die heroischen Anstrengungen und die fantastischen Projekte des frühen 20. Jahrhunderts haben sich erledigt. Aus den Flüchtlingen wurden Bisnesmeny. Und die Generäle sprechen jetzt amerikanisch.
Karl Schlögel:
Berlin — Ostbahnhof Europas
Russen und Deutsche in ihrem Jahrhundert
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