Marie Antoinette auf Abwegen

Quer durch die Berliner Innenstadt führt die hundert Jahre alte Stadtbahn, vom Bahnhof Charlottenburg bis zum Ostbahnhof. Für die vielen Bögen darunter haben sich zahlreiche Nutzungen gefunden, von Lagerräumen und Autowerkstätten, Geschäften, Buchläden, einem Theater, bis zu zahlreichen Kneipen, Clubs und Restaurants. Irgendwann gab es wohl auch mal ein Lokal namens Marie Antoinette. Ob das stimmt, weiß ich nicht, ich hatte bis jetzt nichts davon gehört. Bis gestern Nacht, als mir am Potsdamer Platz ein portugisisches Pärchen ins Taxi stieg. „Marie Antoinette, Bogen 47“ stand auf dem Zettel, den mir der Mann reichte. Meine Frage, ob das ein Club ist, konnten mir die beiden genauso wenig beantworten wie die nach dem Bezirk. Also fragte ich bei der Zentrale nach, die den Namen zwar nicht im Computer hatte, aber irgendwo im Hinterkopf. Allerdings für den Stadtbahnbogen 547.

Vom Potsdamer Platz aus ging es also nach Charlottenburg, in die Nähe des Savignyplatzes, wo die Kneipe gewesen sein sollte. Dort aber fand sich unter der S-Bahn nichts, was an eine kopflose französische Königin erinnert hätte. Meine Fahrgäste waren recht genervt und begannen herumzutelefonieren. Nach ein paar Minuten hatten sie endlich jemanden dran, der mir sagen konnte, wo ich hin muss: Nach Mitte, direkt an die Grenze zu Friedrichshain.

Ich hatte mich vorher natürlich auf die Aussage der Zentrale verlassen und konnte meinen Fahrgästen schlecht auch noch die Rückfahrt in Rechnung stellen. Also schaltete ich das Taxameter aus, fuhr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch die Nacht, von der West-City bis zur Michaelkirchstraße. Dort verläuft hinter der BVG-Zentrale und der Stadtbahntrasse ein kleiner Weg nach unten, zu eben jenem Bogen 47 mit dem Marie Antoinette. Endlich dort angekommen waren meine Kunden wieder besänftigt, zahlten die 10 Euro, gaben sogar noch etwas Trinkgeld: „For sight seeing!“, grinste mich die Frau an.
:-)

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