Kippa oder nicht?

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland rät jüdischen Männern ab, in Vierteln mit hohem muslimischen Anteil in der Bevölkerung die Kippa zu tragen. Sie sind damit klar als Juden zu erkennen und gefährden sich dadurch. Noch am selben Tag stellt sich der Regierende Bürgermeister von Berlin vor die Kameras und bestreitet dies. Michael Müllers behauptet, solche Viertel gäbe es nicht. Damit rät er den Juden, sich weiterhin offen zu bekennen. Sozusagen ohne Rücksicht auf Verluste.

Sicher ist es einfach, von anderen Mut und Zivilcourage zu verlangen. Man selber ist ja nicht gefährdet. Viel schlimmer aber ist Müllers Arroganz und Selbstherrlichkeit, dass er sich das Recht nimmt zu entscheiden, ob die betroffenen Menschen Angst haben dürfen oder nicht. Mit seiner Aussage entmündigt er die Juden in Berlin, stellt sie als paranoid hin. Ihre Ängste wischt er vom Tisch nach dem Motto, „die sollen sich mal nicht so anstellen“.
Ich selber habe vor ein paar Jahren einige antisemitische Erfahrungen gesammelt. Zwei Jahre später wurde ich mit Freunden von drei türkischstämmigen jungen Männern beleidigt und bedroht, als wir in der Turmstraße Flugblätter zur Erinnerung an die Deportationen verteilten.

Natürlich ist Antisemitismus nichts Neues. In Deutschland  sind es heute vor allem Neonazis, aber auch ein Teil der Muslime, die „die Juden“ für alles Schlechte verantwortlich machen und ihnen nicht selten den Tod wünschen. Aber auch im bürgerlichen Milieu unseres Landes gibt es Antisemitismus. Das zu ignorieren oder – schlimmer noch – demonstrativ nicht ernst zu nehmen, ist eines Regierenden Bürgermeisters unwürdig. Er muss sich fragen lassen, wieso er solche Aussagen macht.

Sicher ist es gut, wenn man öffentlich zu dem stehen kann, was man ist. Wenn sich aber jüdische Männer entscheiden, ihre Kippa nicht zu tragen oder andere Juden, dass sie bestimmte Insignien nicht öffentlich zeigen (z.B. einen Davidstern als Kettenanhänger), dann hat man das zu respektieren, auch wenn einem diese Entscheidung nicht gefällt. Es sind die Umstände, die die Betroffenen dazu bringen. Anstatt diesen Menschen ihre Ängste vorzuwerfen, sollte Michael Müller lieber dafür sorgen, dass mehr gegen Antisemitismus getan wird.

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