Berlin verschenkt sich

Wie man weiß, ist Berlin pleite. Und auch, wenn unser Bürgermeister gestern mit einer neuen Initiative „Ich bin ein Berliner“ aufwartete, wird er damit sicher kaum neue Industrie in die Stadt locken können. Zu unausgegoren ist dieses Konzept.
Neben Industrie gibt es hier noch die wissenschaftliche Forschung, aber wirklich attraktiv ist in Berlin nur noch für eine Klientel: Die Touristen. Wer an einem durchschnittlichen Nachmittag über die Museumsinsel läuft oder am Abend über den Hackeschen Markt, bekommt einen Eindruck davon.
Besonders wichtig für das Berlin-Bild in der Welt ist die Kultur von unten. Also nicht nur das Neue Museum oder die Staatsoper, sondern die Bars und Ateliers der Stadt. Die Verantwortlichen für den Berlin-Tourismus preisen auch gerne das Unfertige, das Selbstorganisierte, das nicht Glitzerne, das sie alles gerne als „Szene“ bezeichnen. Gleichzeitig aber tun sie nichts dafür, um diese Einrichtungen zu unterstützen. Aktuell sind zwei der wichtigsten Orte bedroht, und wenn sich von Senatsseite nichts tut, werden sowohl das Tacheles, als auch die Bar 25 bald nicht mehr existieren. Dabei sind gerade sie es, die das „Flair des Provisorischen“ symbolisieren. In fast jedem Stadtführer findet man sie, für viele Besucher sind sie das Highlight ihres Tripps.
Nun aber steht die Existenz dieser beiden Orte auf dem Spiel. Das Tacheles wird möglicherweise noch in diesem Herbst geräumt, ein entsprechender Antrag der Bank des Hauseigentümers liegt bereits seit Monaten vor. Zwar hat sich Klaus Wowereit für des Erhalt des Tacheles ausgesprochen, aber das sind nur Luftblasen. Wenn es ihm damit ernst wäre, würde der Senat das Grundstück kaufen und an die Nutzer verpachten.
Ähnlich sieht es mit der Bar 25 an der Holzmarktstraße aus. Das direkt an der Spree gelegene Grundstück gehört der Berliner Stadteinigung (BSR), die die 3.000 qm zur Bebauung verkaufen möchte. Mehrere Jahre wurde die Entscheidung verschoben, nun ist es soweit. Voraussichtlich am 14. September wird die Bar 25 das letzte Mal geöffnet sein. Ähnlich wie beim Tacheles handelt es sich hier um einen Ort, der zahlreiche Möglichkeiten bietet. Neben der eigentlichen Bar und einem Restaurant gibt’s in der 25 ein Kino, Saunas, ein Theater sowie eine Konzertbühne.
Auch bei der Bar 25 gäbe es eine Lösung, sogar zwei. Einerseits könnte der Senat als BSR-Eigner direkten Einfluss nehmen und die Verpachtung des Geländes anweisen. Zusätzlich besteht die Alternative, die Bar auf das Gelände des einstigen Spreeparks in Treptow zu verlegen. Auch hier könnte der Senat das Gelände erwerben und weiterverpachten. Und auch hier tut er es nicht.
Stätten der Hochkultur werden mit Dutzenden von Millionen Euro subventioniert, die Staatsoper bekommt 100 Millionen. Die wenigen Millionen für das Tacheles und die Bar 25 würden im Laufe der Jahre über die Pacht sogar wieder eingenommen. Trotzdem passiert nichts. Die beiden wichtigen Stätten der Kultur werden verschwinden und mit ihnen zwei Orte, die Berlin von New York über Basel bis Peking interessant machen. Diese Entscheidung – oder Nicht-Entscheidung – ist einfach nur dumm.

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3 Kommentare

  1. Ganz genau. Diese Tendenz sehe ich als die größte Gefahr für Berlin an. Man kann zu einzelnen alternativen Projekten ja stehen wie man will, aber sie gehören nun mal zu den Dingen, die Berlin so interessant gemacht haben.
    Und nicht nur die Hochglanzfassaden rund um Unter den Linden.

  2. Ich glaube die Attraktivität einer Stadt besteht nicht in einer Vielfalt von Plattformen für den Hedonismus einiger ihrer Besucher sondern eher in einer Offenheit für alle Arten von Interessen. Existenzsichernde Arbeitsplätze entstehen in diesem Bereich wohl eher nicht.
    Die „Spaßkultur“ ist nur vordergründig ein Anziehungspunkt. Aus eigenen Erfahrungen weiß ich, dass sehr viele, auch junge, auch ausländische Besucher, wegen der hier noch sichtbaren Geschichte und der vielfältigen Stadtlandschaft angezogen werden. Auf einige sperrmüll-basierte, dazu noch z.T. ausgesprochen teure Pseudo-Kultstätten kann man m.E. gut und gerne verzichten.

  3. @Thomas:
    Aber gehören alternative Projekte nicht auch in den Bereich „Alle Art von Interessen“?
    Und was ist ein existenzsichernder Arbeitsplatz? Nur ein brauchbar bezahlter, ein zukunftssicherer oder einer der so gut ist, dass er auch ehrenamtlich besetzt wird neben der Lohnarbeit her?
    Vielleicht ist die Spaßkultur für dich oder auch mich kein wichtiger Bereich. Aber wenn ich mal schätzen müsste, was alleine die paar Fahrgäste von mir in entsprechenden Läden an Geld liegen lassen – Puh! Glaub mir, das ist selbst wirtschaftlich ein Faktor!

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