Muss man immer eine Antwort haben?

Als kleine Kinder haben wir gedacht, dass Erwach­sene alles wissen, Mama und Papa hatten ja auch immer eine Antwort. Ob die stimmte, konnte man nicht über­prü­fen, man hat sie eigent­lich auch nicht ange­zwei­felt.
Spätes­tens aber nach den ersten Schul­jah­ren weiß man, dass auch Erwach­sene nicht allwis­send sind. Meis­tens merkt man es, wenn auf eine Frage bloß die Antwort kommt: “Das ist eben so!”. Oder wenn sie sich wider­spre­chen. Wenn aber z.B. der Onkel was ande­res behaup­tet als die Lehre­rin, muss ja einer von ihnen falsch liegen.

Wer kein Kind mehr ist, tut also oft so, als wüsste er alles. In der Schule lernt man ja auch nicht, dass es auf manche Fragen nun mal keine Antwort gibt, oder dass es mehrere geben kann. Die Älte­ren versu­chen den Jünge­ren mit ihrem angeb­li­chen Wissen zu impo­nie­ren oder einzu­schüch­tern. So lernt man schnell ein Verhal­ten, das sich dann nie wieder ändert. Auf etwas keine Antwort zu haben gilt als Schwä­che und somit als schlecht.
Auch wenn man z.B. eine Zeitung oder ein Online­ma­ga­zin macht, ist man schnell in der Versu­chung, Dinge zu behaup­ten, ohne sie gleich­zei­tig in Frage zu stel­len. Selbst wenn man sich nicht sicher ist, ob die eigene Sicht­weise wirk­lich rich­tig ist, bezieht man eine Posi­tion. Beispiele gibt es viele. So wird allge­mein Claus Graf von Stauf­fen­berg als Held gefei­ert, weil er versucht hat, Adolf Hitler zu töten. Natür­lich war Hitler ein übels­ter Dikta­tor, aber ist es wirk­lich rich­tig, jeman­den zu ehren, der einen ande­ren Menschen umbrin­gen wollte? Zumal er vor der Explo­sion den Raum verlas­sen hat, was die Helden­theo­rie ziem­lich abschwächt. Viele Jahre war Stauf­fen­berg außer­dem braver Offi­zier der Wehr­macht, der erst aktiv gewor­den ist, als der Krieg schon verlo­ren war. Er selber trat immer für ein Groß­deutsch­land ein, das Europa domi­niert. Ist es also rich­tig, ihn zu feiern?

Auch ich vertrete oft 100%ig meine Stand­punkte. Dabei wäre es ehrli­cher, die manch­mal nur zu 90 oder 62 Prozent zu vertre­ten, weil das realis­ti­scher ist. Oder sollte man an seinen Arti­kel einen Satz anhän­gen wie: “Dieser Text ist zu 57% meine Meinung”?
Dies betrifft aber nicht nur eigene Ansich­ten, sondern auch Tatsa­chen­be­haup­tun­gen. Denn auch die sind nicht immer objek­tiv. Am besten ist es wohl, dass man selber darauf hinweist, wenn es zu einem Thema unter­schied­li­che Sicht­wei­sen oder Meinun­gen gibt. Und wenn man sich selber zugibt, nicht auf alles eine wirk­li­che Antwort zu haben.

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2 Kommentare

  1. Oh! Kann ich auch einige dieser Weis­heits­pil­len haben? Aber, dass mit Stauf­fen­berg stimmt zu 100%! Liebe Grüße aus Warne­münde … klingt viel besser als Rostock, oder?

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