Savignybürger

Hier ist das Bürger­tum zuhause. Nicht das “neue”, das lebt ja im Prenz­lauer Berg, sondern das West-Berli­ner. Genauer: Die eins­ti­gen 68er Studen­ten, die heute schon in Rente sind, oder eher in Pension.
Noch immer besu­chen sie die alten Knei­pen, die Dicke Wirtin in der Carmer­straße oder den Zwie­bel­fisch am Savi­gny­platz. Pärchen­weise schlen­dern sie um den Platz, andere Pärchen grüßend, kurzer Small­talk, während die Enkel zum Weiter­ge­hen quen­geln. Man sieht den Bürgern an, dass es ihnen mate­ri­ell gut geht. Nicht unbe­dingt an den Klamot­ten, die der alten Ideo­lo­gie folgend in der Frei­zeit bewusst leger gewählt werden. “Pink Floyd World Tour 1987/88” spannt schon sehr über’m Bauch, die älte­ren passen wahr­schein­lich nicht mehr.
Ein ande­rer kommt in engem Jogger-Outfit, aller­dings in ruhi­gem Schritt. Ein kurzer Gruß zu jeman­dem, der vor der Kneipe bei Bier und Brat­kar­tof­feln sitzt, auch der Mann vom Desi­gner­mö­bel­la­den winkt zurück.

“Tabea, kommst du wohl zu Opa!” Das kleine Mädchen, das eben die Hinter­las­sen­schaf­ten eines Hundes begut­ach­ten wollte, profi­tiert nicht mehr von den eins­ti­gen Anti-Auto­ri­tä­ren. Deren graue Haare domi­nie­ren den Platz am frühen Abend, teil­weise unter Schie­ber­müt­zen versteckt, die hier offen­bar Mode sind.

Der Ort hat jetzt etwas herbst­li­ches, vorletzte Etappe, die Tabeas sind klar in der Minder­heit und werden sogar zurück­ge­pfif­fen, wenn sie versu­chen, die sich drehende Litaß­säule anzu­hal­ten. Es ist so wie über­all mit den Gene­ra­tio­nen: Sie passen nicht zusam­men. Dafür ist der Savi­gny­platz ein Symbol, in zehn Jahren wird er voll sein mit Rolla­tor schie­ben­den Ex-Studi­en­rä­ten.
Heute schiebt sich aber erst­mal ein schwar­zes BMW-Cabrio tief aufheu­lend in die Auffahrt und blockiert den Bürger­steig. Die Bürger vor dem Zwie­bel­fisch regen sich auf, auch über die laut wummernde Musik des jungen Hooli­gans. Und Tabea, die nun auf dem Gehweg nicht mehr vorbei kommt, brüllt ihn an: “Man, ey!” Wenigs­tens jetzt ist sie sich mit der alten Gene­ra­tion einig.

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Zufallstreffer

Berlin

Linksfaschos schlagen zu

Gleich zwei­mal gab es inner­halb weni­ger Stun­den Anschläge von linken Extre­mis­ten. Auf einer Demons­tra­tion gegen den Sozi­al­ab­bau in Mitte wurde aus einem “Anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block” heraus ein Spreng­kör­per mitten in eine Gruppe Poli­zis­ten gewor­fen. Es gab […]

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Das falsche “Neue Deutschland”

“Neues Deutsch­land” hieß die Partei­zei­tung der SED, dabei war der Begriff “Deutsch­land” eigent­lich verpönt. Man nannte sich DDR, wollte seine Eigen­stän­dig­keit unter­strei­chen. Doch der Name des Zentral­or­gans war eine einge­führte Marke, die in der DDR jeder kannte. Dabei war die aufla­gen­stärkste Zeitung wohl auch die, die am wenigs­ten gele­sen wurde. Der gestelzte Sprach­stil über­traf noch das Büro­kra­ten­deutsch der Funk­tio­näre, die Inhalte waren system­kon­for­mer als die Partei selbst. Kaum jemand las nach ND frei­wil­lig. Umso erstaun­ter waren dieje­ni­gen, die am Nach­mit­tag des 19. März 1988 plötz­lich ein ganz ande­res ND in der Hand hiel­ten. […]

1 Kommentar

  1. Sehr passend. Kann’s mir vorstel­len. Hab da auch bis vor 30 (!) Jahren längere Zeit gewohnt, aber eher das Schwarze Café und die Grie­chen­kneipe to steki besucht. Gibt’s die noch?

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