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Es gibt Fahr­gäste, auf die man gerne verzich­ten würde. Neben den übli­chen Verdäch­ti­gen (Aggres­sive, Nazis, Gang-Typen und Kotz-Kandi­da­ten) sind das Menschen, die offen­bar mit ihrem Leben nicht so rich­tig klar kommen und deshalb auch ande­ren deren Leben schwer machen. Dazu gehör­ten die beiden jungen Frauen, die mir am Haupt­bahn­hof ins Auto gestie­gen sind. Noch bevor ich die Chance einer Begrü­ßung hatte, maul­ten sie schon rum: “Na toll, ein Typ.” Nun ist es ja nicht so, dass im Berli­ner Taxi­ge­werbe die Fahre­rin­nen in Massen vertre­ten wären. Aus mir uner­klär­li­chen Grün­den sind geschätzt 95 Prozent aller Taxler Männer. Daher kann die Über­ra­schung eigent­lich nicht so groß gewe­sen sein. Aber ich bin ja erst­mal ein freund­li­cher Mensch und reagierte einfach mit “Tja, Schick­sal.” Ihr Gesichts­aus­druck sagte, dass sie das nicht so gut fanden.
Nach dem Öffnen der Heck­klappe wollte ich wie gewöhn­lich die Koffer rein­he­ben, aber das lehn­ten sie konse­quen­ter­weise ab: “Das können wir selber”, maulte die Größere, während die andere, sehr schmäch­tige Dame sicht­li­che Schwie­rig­kei­ten hatte, ihren Schrank­kof­fer ins Taxi zu bugsie­ren.
Im Auto ging es weiter: “Gibt es eigent­lich keine Taxi­fah­re­rin­nen?”
“Doch, ein paar.”
“Und wo sind die?”
“Das weiß ich doch nicht.”
“Die wollen sicher nicht hier stehen, zwischen den ganzen Typen.”
“Die, die ich kenne, stört das wohl eher nicht.”
“Ja, das glau­ben Sie viel­leicht.”
“Wo soll es hinge­hen?”
“Na nach Fried­richs­hain.”
Klar, da hätte ich natür­lich von allein drauf kommen können.
Noch war ich mir nicht sicher, ob die beiden von Natur aus so krat­zig sind, oder ob sie einfach nur einen schlech­ten Tag hatten. Viel­leicht hatte ihr Zug ja Verspä­tung oder es gab Bezie­hungs­pro­bleme. Alles wäre aber kein Grund gewe­sen, mich unschul­di­gen Taxi­fah­rer dafür anzubaf­fen.
Um erst­mal meine Ruhe zu haben, fragte ich nicht weiter nach der genauen Adresse, sondern fuhr Rich­tung Moll­straße los. Hinten bestä­tig­ten sich die beiden Damen während der ganzen Fahrt gegen­sei­tig, dass es ein Skan­dal wäre, dass Frauen keine Taxi­fah­re­rin­nen werden dürf­ten. Das wäre ja wie in Saudi-Arabien und jeder halb­wegs korrekte Typ würde solange in den Streik treten, bis mindes­tens genauso viel Frauen Taxi fahren, wie Männer. Mitt­ler­weile war mir klar, dass die ihren Schwach­sinn ernst mein­ten. Aber ich hütete mich, auch nur ein einzi­ges Wort dazu zu sagen. Andern­falls hätte ich wohl den Feuer­stoß aus ihren Drachen­mäu­lern im Genick gehabt.
Kurz vor der Lich­ten­ber­ger Straße musste ich sie dann unter­bre­chen, weil ich immer noch nicht die genaue Adresse hatte.
“Fried­richs­hain, das sagte ich doch. Kennen Sie Fried­richs­hain nicht?”
Lang­sam wurde ich sauer.
“Wir sind jetzt in Fried­richs­hain. Also zu welcher Adresse müssen wir genau?”
Ich fuhr rechts ran und stoppte, weil es nun mehrere Möglich­kei­ten gab. Dummer­weise wuss­ten sie es nicht genau und fingen erst­mal an, in ihren Taschen nach der Adresse zu suchen.
“Fahren Sie doch erst­mal schon weiter!”
“Ich kann nicht weiter­fah­ren, wenn Sie mir nicht sagen, wohin.”
“Mein Gott, Moment.”
Leider brachte das Suchen kein Ergeb­nis und ich hatte auch keine Lust mehr, mir das Thea­ter weiter anzu­schauen und vor allem anzu­hö­ren. Denn selbst während der Suche nach der korrek­ten Adresse brab­bel­ten sie Flüche vor sich hin.
Ich entschied jetzt, dem ein Ende zu machen. Uner­laub­ter­weise bog ich am Platz der Verein­ten Natio­nen links in die Frie­den­straße und noch ein paar hundert Meter weiter. Dort stoppte ich auf der linken Seite in einer Einfahrt: “Ok, da sind wir. Fried­richs­hain.”
Es war nicht mal gelo­gen, auf der ande­ren Stra­ßen­seite ist ja tatsäch­lich der Volks­park Fried­richs­hain und vor uns ein Wohn­vier­tel. Ich habe die prozen­tuale Wahr­schein­lich­keit, dass sie genau in dieses Vier­tel woll­ten gegen die einer drohen­den Schlä­ge­rei abge­wo­gen und bin zur einzig vernünf­ti­gen Lösung gekom­men. Natür­lich habe ich nicht damit gerech­net, dass sie das akzep­tie­ren — aber sie haben es getan.
Sie zahl­ten das Fahr­geld in Münzen und als ich ihr das Geld aus der Hand nahm, schnauzte mich die Eine an: “Nicht angrab­schen!”
Was war ich froh, als ich endlich den Rück­wärts­gang einle­gen und wegfah­ren konnte. So eine Welle von Sexis­mus habe ich ja schon lange nicht mehr erlebt.

Dieser Arti­kel erschien zuerst am 9. August 2012

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7 Kommentare

  1. Das Leben ist doch ein der schöns­ten und die besten Filme kosten nicht einmal Kino­ein­tritt. Solche Typen zu erle­ben und das ohne Eintritt zu bezah­len, sondern auch noch Taxilohn zu bekom­men, eigent­lich uneb­zahl­bar. Klappt aber nur, wenn man einen guten Tag hat, ansons­ten ist ärgern schon berech­tigt.
    Bei uns hat mir mal eine städ­ti­sche Gleich­stel­lungs­be­auf­tragte die Bezeich­nung ” Efrau­zen ” genannt, da ja bei Eman­zen schon wieder der Mann drin steckt. Sie meinte das sehr ironisch, wir wuss­ten aber beide, welche Frau­en­szene gemeint war, bei der sie zu einer Sitzung musste.

  2. Bei solchen Begeg­nun­gen hat Mann immer die Arsch­karte gezo­gen.

    Gibt es eigent­lich noch das Frau­en­haus im Seitenflügel/ Hinter­haus der Grün­ber­ger Str. 73?

    Weshalb haben es die beiden Damen nicht geschafft, sich per Tele­fon eine Taxe mit Frau am Steuer zu orga­ni­sie­ren?

  3. Mein Beileid!
    Aller­dings war das nicht Sexis­mus, sondern Gende­rIn­nenis­mus. ;)

    Soll­test du den beiden Figu­ren noch einmal begeg­nen, darfst du ihnen auf meine Kosten Hadmut Danischs neues­tes Werk¹ besor­gen. ^^

    ¹ http://is.gd/UysT2U

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