Grüne Jungs

Die feschen Buam, die mir an der Grünen Woche lärmend ins Auto stie­gen, waren gar nicht aus Bayern, sondern von der Nord­see­küste. Aber wer erwar­tet bei diesen Minus­gra­den schon Fisch­köppe in Sepp­lho­sen..
Drei Jungs, ein Mädel, alle von ihrer Agrar­be­rufs­schule nach Berlin geschickt, muss­ten von mir erst­mal in ihre Gren­zen verwie­sen werden. Z.B. dass die Fens­ter nicht dazu da sind, um aus ihnen an Bushal­te­stel­len wartende Frauen mit sexis­ti­schen Sprü­chen zu bele­gen. Oder dass sie sich alle anzu­schnal­len haben. Für sie wurde es noch eine lehr­rei­che Fahrt.

Am Nolli vorbei­fah­rend sagte einer von ihnen, Jonas, dass das hier das schwule Vier­tel von Berlin sei. Natür­lich waren alle gleich auf Hundert, der Sozio­loge würde sofort grup­pen­dy­na­mi­sche Zusam­men­hänge gepaart mit nicht aufge­ar­bei­te­ten sexu­el­len Präfe­ren­zen erken­nen. Jonas hatte die lauteste Stimme und saß von mir am Weites­ten entfernt. Er versuchte von seinem Spruch abzu­len­ken und mich in ein Gepräch zu verwi­ckeln, was aber wegen der Laut­stärke im Auto echt schwie­rig war.
Seine Frage nach Ehefrau oder Freun­din habe ich damit beant­wor­tet, dass ich beides nicht habe und auch nicht haben will. “Was, bist Du etwa schwul? Ich meinte, sind Sie etwa schwul?”
“Ja.”
“Das glaube ich nicht.”
“Soll ich es Dir bewei­sen? Ich kann Dich gerne heute Nacht nach Feier­abend im Hostel abho­len.“
Jonas sah ein wenig geschockt aus. Sicher ist man auf dem Dorf so einen offe­nen Umgang nicht gewohnt. Aber dann war ich schon über­rascht, als er nach ein paar Sekun­den sagte: “O.K. Wann?“
Das war der Moment, als es im Taxi ziem­lich still wurde und die ande­ren ihr Lachen verschluck­ten.
“Ich mache meis­tens gegen 2 Uhr Schluss, da komme ich gerne vorbei und wir unter­hal­ten uns weiter.”

Der Junge neben mir grinste die ganze Zeit und meinte zu mir: “Du siehst gar nicht aus wie ein Schwu­ler.”
“Du meinst wohl, wie DU Dir einen Schwu­len vorstellst.”
“Na ja. Ja. Willst Du echt Sex mit Jonas haben? Das ist doch eklig.”
“Aha. Woher weißt Du das denn so genau?”
(Fast) alle lach­ten wieder.
“Aber ist es nicht so, dass Ihr Euch gegen­sei­tig hinten rein, und so?”
“Machen das Hete­ros etwa nicht?”
“Ja, viel­leicht. Aber nicht nur.”
“Jeder wie er will, oder? Außer­dem seid Ihr doch in einem Alter, in dem man ruhig mal was auspro­bie­ren sollte, denke ich. Ob Mann, Frau oder Schaf…“
Das war zu viel, jetzt ging ein Protest los, der sich aber vor allem darauf bezog, dass sowas ja nur Bayern machen würden. Auch eine schöne Argu­men­ta­tion.

Am Ziel ange­kom­men stand die Uhr auf 15,60 EUR. Der Junge neben mir gab Zehn und rief nach hinten, dass noch 6 Euro fehlen. Jonas reichte mir einen Zehner und sagte “Stimmt so. Und echt vielen Dank!”
“Dir auch. Und viel Glück!”
“Danke.“
Aus unse­rer Verab­re­dung ist leider nichts gewor­den, aber nächs­tes Jahr ist ja auch wieder eine Grüne Woche.

(Dieser Text erschien ursprüng­lich im Taxi-Weblog von Berlin Street)

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3 Kommentare

  1. Protest von einem Altbay­ern aus München. Wir haben keine Sepp­lho­sen, Nord­deut­sche in Mies­ba­cher Leder­ho­sen geht sowieso net, und wer wird sich den mit den Ziegen abge­ben wo mir doch so saubane Kühe ham.
    Gut gekon­tert Aro. Das hat mir gefal­len.

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