Aktion Wasserschlag

Es war die Reak­tion des Senats auf die Entfüh­rung des dama­li­gen Berli­ner CDU-Vorsit­zen­den Peter Lorenz. Am 27. Februar 1975, drei Tage vor der Abge­ord­ne­ten­haus­wahl, war er im Zehlen­dor­fer Quer­ma­ten­weg von Mitglie­dern der “Bewe­gung 2. Juni” gekid­nappt worden. Die Entfüh­rer verlang­ten die Frei­las­sung und Ausreise von sechs inhaf­tier­ten Genos­sen, die der eige­nen Gruppe bzw. der RAF ange­hör­ten. Die Bundes­re­gie­rung gab der Forde­rung nach, am 3. März wurden fünf der Gefan­ge­nen nach Aden im Jemen ausge­flo­gen. Nur Horst Mahler weigerte sich, ausge­tauscht zu werden. Einen Tag später wurde Lorenz frei­ge­las­sen.

Auf der Suche nach dem Versteck star­tete die Poli­zei die “Aktion Wasser­schlag”. Mehr als 80 linke Projekte wurden gestürmt. Dabei ging es aber offen­sicht­lich nicht nur darum, das Versteck zu finden, sondern um gezielte Zerstö­run­gen. In den Wohn­ge­mein­schaf­ten, Arbeits­kol­lek­ti­ven, Knei­pen und Einrich­tun­gen verschie­de­ner Initia­ti­ven wurden Möbel, Türen, Fens­ter und sogar Wände zerschla­gen. Es war eine massive Rache-Aktion gegen die Linke, die sich im poli­ti­schen Aufwind befand und natür­lich das Feind­bild Nummer 1 der Poli­zei war. Wer gegen die Einsätze protes­tierte, wurde zusam­men­ge­schla­gen und verhaf­tet. Inner­halb weni­ger Tage kam es zu mindes­tens 184 Fest­nah­men wegen angeb­li­chen Wider­stands. Es war die bis dahin größte Poli­zei­ak­tion seit dem Ende des Faschis­mus’.
Flan­kiert wurde die Aktion von der bürger­li­chen Propa­ganda, ange­führt von BZ und Bild, aber auch der Tages­spie­gel und die Abend­schau betei­lig­ten sich an der Hetze. In Kreuz­berg verbrei­tete die CDU ein Flug­blatt, das die Bevöl­ke­rung zur Jagd auf Linke aufsta­chelte. Mitglie­der der Jungen Union mach­ten zusam­men mit NPD’­lern Jagd auf angeb­li­che Links­ra­di­kale.
Natür­lich ging es bei den Razzien nicht darum, das Versteck zu finden. Dies hätte man auch ohne den Terror geschafft. In der Poli­zei aber gab es damals noch bis weit in die 80er Jahre hinein starke Kräfte, die ein rück­sichts­lo­ses Vorge­hen gehen die linke Szene durch­setzte. Während der folgen­den Haus­be­set­zer­be­we­gung hatte die mehrere Tote sowie Dutzende Schwer­ver­letzte zur Folge.

Letzt­end­lich fand sich das Versteck von Peter Lorenz dann auch nicht in irgend­ei­nem linken Projekt, sondern im Keller eines Tröd­ler­la­dens in der Schen­ken­dorf­straße — direkt gegen­über der Kreuz­ber­ger CDU-Geschäfts­stelle.

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3 Kommentare

  1. Ich habe in jener Zeit im Georg von Rauch-Haus gewohnt.
    Als in der Nacht des 5. März 1975 gegen 4 Uhr morgens die Aktion Wasser­schlag auch dort mit einem massi­ven Poli­zei-Aufge­bot durch­ge­führt wurde, gab es ein zwei­ge­teil­tes Bild.
    Während einige Beamte sich randa­lie­rend durch das Haus beweg­ten, stan­den andere still vor den einzel­nen bewohn­ten Räumen und verhiel­ten sich ruhig und vernünf­tig.
    Die beiden vor meiner Tür waren nett und beka­men Kaffee und Kekse von mir mir.
    Als aus dem großem Saal gegen­über meines Wohn­be­reichs, in dem die regel­mä­ßi­gen Haus-Plena statt­fan­den, hefti­ger Lärm bers­ten­den Mobi­li­ars zu hören war, sind die beiden Beam­ten dort hinein gegan­gen und haben ihre dorti­gen Kolle­gen heftig zusam­men gesch…en.
    Danach war auf meiner Etage halb­wegs Ruhe…
    Die später von uns gestell­ten Anzei­gen verlie­fen wie erwar­tet faden­schei­nig begrün­det im Sande bzw. wurden einge­stellt. Aller­dings mit einen Kosten­ent­scheid verbun­den.
    Später bekam das G.v.R. Haus eini­ges Geld vom Senat zur Scha­dens­be­gren­zung.

    Mit besten Grüßen P.v.D.

    http://tanoscederquist-lounge.blogspot.de/2014/07/kostenentscheid.html

  2. @Peer van Daalen
    Wah, für jeden Antrag 3000 DM? Ist ja unver­schämt, so etwas. Konnte man dage­gen wenigs­tens ange­hen bzw. wurde das dann zurück genom­men?

    Wahn­sinn.
    Wobei: heut ist es ja auch nicht anders. Mit Wasser­wer­fern können sie Demons­tran­ten blind schie­ßen, ohne Folgen. Sie können mit Pfef­fer­spray rumsprü­hen, anlaß­los, sogar mit ID — und brau­chen nichts zu befürch­ten.

    Schade, dass dem so ist.

  3. Nein, das wurde trotz anwalt­li­cher Wider­sprü­che nicht zurück­ge­nom­men.

    Da es sich bei den 3000,00 DM ja “ledig­lich” um den gericht­lich fest­ge­setz­ten Streit­wert je Antrag handelte, ging es mit letzt­end­lich 41,66 DM pro Nase rela­tiv glimpf­lich ab.

    Schwamm drüber …! Ich hab´s mir später “irgend­wie” zurück geholt :-)))

    P.v.D

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