Mäßig stressige Fahrt

Es gibt viele Taxi-Kolle­gen, die kleine Grup­pen von Jugend­li­chen nicht mitneh­men, weil sie Stress mit denen befürch­ten. Ich gehöre eher nicht dazu und Ärger hatte ich bisher mit dieser Sorte Fahr­gäste sehr selten. Als von der Funk­zen­trale zum drit­ten Mal das Ange­bot kam, fünf Perso­nen am U‑Bhf. Kurfürs­ten­straße abzu­ho­len, habe ich mich erbarmt. Wenn kein Kollege sich traut, wollte ich eben dafür sorgen, dass die Fünf gut nach Hause kommen.

Es waren dann drei Jungs im typi­schen Gang­out­fit und ‑gehabe sowie zwei Mädel. Sie woll­ten zum Rathaus Span­dau. Während der Fahrt zeigte sich schnell, dass Hakan (alle Namen geän­dert), der neben mir saß, der Chef war. Er hatte einen neuen Job, super bezahlt und offen­bar war die Clique von seinem Geld schon seit etli­chen Stun­den unter­wegs. Nun soll­ten drei von ihnen nach Hause gebracht werden und Hakan wollte sich mit seiner Freun­din mal ein Hotel­zim­mer gönnen — zum ersten Mal im Leben. “Sie heißt Rose, wissen Sie, deshalb habe ich ihr auch eine rote Rose geschenkt. Schaun Sie mal. Süß, oder?” Tatsäch­lich saß die Freun­din hinten mit einer Rose in der Hand und erwi­derte die Freund­lich­kei­ten. Während der Fahrt spra­chen alle ohne Pause und laut durch­ein­an­der, bestä­tig­ten sich gegen­sei­tig, wie geil doch der Tag gewe­sen wäre und dass sie das jetzt öfter machen woll­ten. Sie versi­cher­ten sich immer wieder, was sie für tolle Freunde wären und sie niemals mehr tren­nen würden. Das alles in einem Ghet­to­deutsch, das äußerst nervig war. Aber egal. Hakan protzte damit, dass er jetzt total viel Geld hätte, die Taxi­fahrt würde er mit der Kredit­karte zahlen, alles kein Problem. Und mindes­tens 15 Euro Trink­geld dazu!

In Span­dau ange­kom­men wollte Daniel noch was aus der Wohnung holen und gleich noch­mal zurück kommen. Alle ande­ren stie­gen mit aus, um eine zu rauchen. Sie versi­cher­ten mir, dass ich der coolste Taxi­fah­rer wäre, den sie jemals getrof­fen hätten und woll­ten unbe­dingt meine Handy­num­mer. Daniel kam kurz darauf mit ziem­lich langem Gesicht zurück: Seine Mutter hatte ihn gerade raus­ge­schmis­sen. Man einigte sich, dass er ja mit ins Hotel kommen könnte, alles kein Problem, Hakan zahlt. Man schimpfte noch eine Weile über die Mutter, die ihren 14-jähri­gen Sohn nur wegen eini­ger Joints raus­schmeißt, dann fuhren wir weiter nach Falken­see. Dort stieg Jens aus, ließ sich aber von Hakan vorher noch 20 Euro geben (“klar, gar kein Problem!”) und wir fuhren wieder zurück nach Span­dau. Auf dem Weg nach Haken­felde mach­ten sich die verblie­be­nen Vier über Jens lustig. Sie bezeich­ne­ten ihn als Voll­idio­ten und versi­cher­ten sich gegen­sei­tig, mit ihm nichts mehr zu tun haben zu wollen. In Haken­felde musste Janine ausstei­gen und kaum waren wir weiter­ge­fah­ren, war sie das nächste Mobbing­op­fer. Lang­sam war ich froh, dass ich nicht zu diesen “Freun­den” gehöre.

Hakan, Daniel und Rose woll­ten nun zu einem Hotel, aber einem “rich­tig guten!” In Span­dau kenne ich keine rich­tig guten Hotels, aber in Char­lot­ten­burg. Vorher wollte Hakan noch Geld von der Bank holen, also gabs einen Stopp am Theo­dor-Heuss-Platz. Nach ein paar Minu­ten kam er jedoch bedröp­pelt aus der Bank heraus: Der Auto­mat hatte ihm nichts ausge­zahlt, die Meldung mit der Begrün­dung hatte er nicht verstan­den. Weiter zum nächs­ten Auto­mat am Kaiser­damm, glei­ches Ergeb­nis. Alle wurden plötz­lich sehr still und auch ich schaute etwas besorgt aufs Taxa­me­ter, das bereits auf fast 60 Euro stand. In die Ratlo­sig­keit hinein machte ich den Vorschlag, dass wir einfach mal eine Abrech­nung machen und ich die Karte bei mir durchs Gerät ziehe. Es könnte ja auch sein, dass er ein Limit hat, was er täglich abhe­ben dürfte. Tatsäch­lich konnte ich mit der Karte die Fahrt abrech­nen, alle atme­ten erleich­tert durch.

Nun brauch­ten wir aber noch ein Hotel. Hakan fragte mich, was denn in einem guten Hotel ein Zimmer koste. Meine “mindes­tens 300 Euro” gefie­len ihm gar nicht. Zum Glück gibts in Char­lot­ten­burg auch viele billi­gere Hotels, aber wo wir auch hinka­men, nirgends woll­ten sie meine drei Fahr­gäste haben: “Alles belegt.” Da es derzeit keine großen Messen gibt, bezweifle ich, dass dies der wahre Grund war. Ich denke eher, dass das Outfit der Jungs zu wenig vertrau­ens­er­we­ckend war. Ich kenne mich natür­lich ein biss­chen aus und schließ­lich fanden wir noch ein Hotel, das sie aufnahm, viel­leicht auch, weil ich dies­mal mit an die Rezep­tion ging. Es war kein beson­ders gutes Hotel, dafür aber fast am Ku’damm, wich­tig für die Eigen­re­pu­ta­tion.
Nach insge­samt über einer Stunde Fahrt waren wir endlich am Ziel ange­kom­men. Ich hatte insge­samt 76 Euro einge­nom­men, die Jungs und Mädels waren gut unter­ge­bracht, hatten ihren Spaß und ich fand sie mitt­ler­weile sogar ziem­lich nett. So könnte es öfter laufen. Nur auf die 15 Euro Trink­geld musste ich verzich­ten. Ich nahm es gelas­sen hin.

(Dieser Text erschien ursprüng­lich im Taxi-Weblog von Berlin Street)

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3 Kommentare

  1. Gut gelöst! Alle vernünf­tig unter­ge­bracht und jeder hatte seinen Spaß. Die Gemobb­ten wissen ja nichts von ihrer guten Gesell­schaft. Und wenn Hakans Karte auch noch gut für das Hotel ist, hat alles geklappt.

  2. Nette Geschichte und schön, dass sie auch so lukra­tiv für dich war. Nach den erwähn­ten 15 Euro Trink­geld ganz am Anfang, fürch­tete ich schon, dass es nichts wurde mit der Bezah­lung.
    Aber 300 Taler für ein “gutes” Hotel, hm… Dafür kommt man bereits im Adlon unter. Gibst du immer so kost­spie­lige Tips? ;-)

  3. dachte eher dass hakan seine rose im hotel verna­schen will … da wäre ja daniel dann zu viel … oder sie spiel­ten dann flaschen­dre­hen … hihi

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