Von den Widrigkeiten antifaschistischer Arbeit

An einer belebten Bahnstrecke mitten in Berlin steht ein großes provisorisches Schild, das an die Deportationen während der Nazizeit erinnert. Natürlich ist diese Tafel bei den Neonazis nicht beliebt, tun sie doch bis heute so, als hätte es den Holocaust gar nicht gegeben. Sie versuchen die Tatsache des organisierten Judenmords zu verschweigen, weil sie genau wissen, dass das gegen ihre Ideologie spricht. Deshalb schleichen sie sich manchmal in der Nacht heran und besprühen das Schild mit Parolen oder versuchen es mit Farbe unkenntlich zu machen. Das letzte Mal war gerade am vergangenen Wochenende.

Da es aber verschiedene Leute gibt, die das Schild regelmäßig kontrollieren, werden die Schmierereien meist schnell wieder entdeckt und entfernt. Irgendjemand hatte diesmal ein paar kleine Aufkleber über die Parole geklebt, ein netter Versuch, die Aussage der Rechten unkenntlich zu machen.
Als ich vorgestern dort ankam, um die Tafel wieder zu säubern, entfernte ich erst die Aufkleber, dann klebte ich die einzelnen Buchstaben mit Kreppklebeband ab. Die Dose mit der Lackfarbe stand auf dem Boden. Mir fiel auf, dass ich kein Haushaltspapier zum Sauermachen hatte und ich ging in den Supermarkt gleich neben dem Schild. Nach etwa drei Minuten war ich schon wieder da und wollte beginnen – aber ich fand die Farbdose nicht mehr. Langsam wurde ich völlig verwirrt, weil ich mir sicher war, die Farbe bereits ausgepackt und hingestellt zu haben. Passanten gabs hier auch keine, vielleicht hatte mir ja die Hitze zu schaffen gemacht. Also musste ich im nahen Baumarkt neue Farbe kaufen und dann beseitigte ich die Schmierereien.

Wieder zuhause angekommen, erhielt ich einen Anruf: Ein Stadtteilladen in der Nähe hatte eben Besuch von einem jungen Mann gehabt, der dort eine Dose Farbe abgegeben hat. Ich fuhr hin und ließ mir erzählen, was passiert war.
Der Mann hatte mich bei den Vorbereitungen beobachtet und dachte, ich würde das Schild beschmieren. Deshalb hatte er die Farbe geklaut, während ich in den Laden ging. Als er später nochmal an der Stelle vorbei kam, sah er, dass das Schild wieder in Ordnung war. Erst da wurde ihm sein Fehler bewusst, aber ich war bereits weg. Da auf der Tafel auch eine Internetadresse steht, rief er die Website auf und brachte den Farbtopf zu der dort angegeben Adresse – dem Stadtteilladen.

Zuerst war ich natürlich etwas empört, aber dann dachte ich, dass es doch eigentlich eine coole Aktion von ihm war. Immerhin hat da ein Passant eingegriffen im Glauben, die Farbattacke eines vermeintlichen Rechtsradikalen zu behindern.
Am Abend erhielt ich noch einen weiteren Telefonanruf: Aus der Bahn heraus hat jemand gesehen, wie einer einige Stunden zuvor mit Farbe an dem Schild rumfummelte. Er hat ebenfalls mich gesehen!

So ist es gut: Alle passen auf, dass die antifaschistischen Hinweise nicht beschmiert werden :-)

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