Der Gesundbrunnen (II)

Die Zeit der Idylle und der Roman­tik neigte sich an der »Plumpe« lang­sam dem Ende zu. Nach­dem der Gesund­brun­nen mit Berlin verschmol­zen war, muss­ten die alten Bäume des Parks, die klei­nen Gebäude, der alte Quell­gar­ten und die Blumen­an­la­gen verschwin­den. Im Zuge des Städ­te­baus wurden auch in der Badstraße große Wohn­häu­ser errich­tet. Nach­dem schon in den 60er-Jahren des 19. Jahr­hun­derts bei Bauar­bei­ten die Quelle des Gesund­brun­nens beschä­digt worden war, versiegte sie zehn Jahre später bei den Ausschach­tungs­ar­bei­ten für ein weite­res Gebäude endgül­tig.
Doch dem Charak­ter der Gegend tat das keinen Abbruch. Im Block­in­ne­ren entstan­den weitere Vergnü­gungs- und Frei­zeit­ein­rich­tun­gen. So z.B. das Mari­en­bad in der Badstr. 36 oder »Weimanns Volks­gar­ten«, der 10.000 (!) durs­tige Besu­cher fasste. Dort fanden auch Thea­ter­vor­füh­run­gen statt. Und mitten­drin stand noch immer das zwei­ge­schos­sige »Restau­rant Luisen­bad«.

Manch­mal, wie zu Pfings­ten 1888, tummel­ten sich sogar 60.000 Berli­ner in den Loka­len rund um den Gesund­brun­nen, die hier ihre »Land­par­tie« mach­ten. Und an jedem Feier­tags­abend waren die Weddin­ger froh, wenn die Eindring­linge wieder weg waren, obwohl sie natür­lich auch Geld brach­ten.
Doch je mehr die Stadt wuchs, desto weni­ger Platz war für die verblie­be­nen histo­ri­schen Gebäude des Gesund­brun­nens. Um 1890 wurde dann auch das Brun­nen­häus­chen abge­ris­sen; an dessen Stelle baute der letzte Besit­zer des Restau­rants Luisen­bad, Galuschky, 1892 das Wohn­haus Badstraße 39. Auf dem Hof dieses Hauses entstand eine Remise, und offen­bar hatte Galuschky doch noch eine wehmü­tige Ader: Im Keller dieser Remise steht noch heute die stei­nerne Umfas­sung der ehema­li­gen Gesund­brun­nen-Quelle. Auf demsel­ben Hof ist übri­gens bis heute auch noch das letzte Gebäude des ehema­li­gen Luisen­bads erhal­ten geblie­ben, das damals als Restau­rant diente: Eine alte Schrift an der Fassade »Kafé Küche« verkün­det noch die ehema­lige Nutzung, doch mitt­ler­weile ist längst die Stadt­bi­blio­thek Wedding dort einge­zo­gen und es ein Neubau wurde ange­fügt.

Übri­gens reichte das Wohn­haus Badstraße 39 ursprüng­lich bis an die Panke heran, nur einen Fußweg gab es zwischen dem Fluss und dem Haus. Doch 1906 wurde der zur Panke gewandte Flügel abge­ris­sen, weil entlang des Flus­ses die Trave­mün­der Straße gebaut werden sollte. Durch den Bau eines zurück­ge­setz­ten Häuser­flü­gels wurde das Gebäude wieder zu einem Eckhaus, dies­mal aller­dings ein mit vielen Verzie­run­gen verschö­ner­tes Schmuck­stück, mit einem klei­nen Türm­chen auf dem Dach. Und wieder bewies Galuschky seine Wehmut über das verlo­rene Luisen­bad: Am oberen Teil der neuen Haus­front ließ er über eine ganze Etage ein Relief anbrin­gen, auf dem das ehema­lige Quel­len­häus­chen zu sehen ist. Auf diese Weise wollte er der Nach­welt die Erin­ne­rung erhal­ten an den »Fried­richs-Gesund­brun­nen« und das Werk von Behm. Und bis heute ist dieses Gebäude sowie das Relief von der Badstra­ßen­brü­cke über der Panke wunder­bar zu sehen, nur das Türm­chen hat den letz­ten Krieg nicht über­lebt.

Viel mehr ist vom Gesund­brun­nen nicht geblie­ben. Natür­lich, der Stadt­teil hat seinen Namen durch diese Quelle erhal­ten, aber sonst? Doch da gab es auch noch eine Zeitung, die zu den wich­tigs­ten Lokal­blät­tern der »Plumpe« gehörte: 1887 grün­dete Hermann Kraatz in der Badstraße das Blatt »Die Quelle«. Er pflegte darin die Erin­ne­rung an den Brun­nen, heimat­kund­li­che Aufsätze und Arti­kel waren ein Schwer­punkt der belieb­ten Zeitung. Später führte sein Sohn Paul die Zeitung weiter, bis ihn die Nazis 1934 auf ihre Linie zwin­gen woll­ten. Paul Kraatz wider­setzte sich und stellte die Zeitung ein (mehr dazu im Kapi­tel »Die Quelle«).
Wer heute durch die Badstraße läuft oder sich am Bahn­hof Gesund­brun­nen umschaut, sieht kaum noch Zeugen der Geschichte. Man muss schon in die Blöcke, in die Höfe hinein­ge­hen, um hier und dort doch noch uner­war­tet auf Reste der alten Bebau­ung zu stoßen oder auf solcher­lei: Kommt man nämlich vom Bahn­hof Gesund­brun­nen und über­quert die Einmün­dung der Grün­ta­ler Straße, so steht man genau an der Stelle, wo einst die Eisen­bahn vom Stet­ti­ner Bahn­hof (heute Nord­bahn­hof) kommend in Rich­tung Bernau die Badstraße über­querte. Bis zum Bau der Pfer­de­stra­ßen­bahn gab es an dieser Stelle einen Bahn­über­gang mit zwei großen Schran­ken! Und noch heute kann man den Verlauf der Schie­nen ziem­lich genau nach­voll­zie­hen, wenn man z.B. durch die Einfahrt des Neubaus der Badstr. 62 auf den Hof geht. Hier verlief die Stre­cke quer durch den Block, und zu Fuß kann man sie noch abge­hen: Durch ein klei­nes Garten­tor, über Stock und Stein und ein Gara­gen­grund­stück kommt man an der Bött­ger­straße heraus. Von dort sieht man noch, wie der Schie­nen­strang etwa beim heuti­gen Bahn­hof Humboldt­hain wieder auf die aktu­ell verlau­fende Stre­cke stößt.

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