Wahlnacht

Schon 2008 und 2012 habe ich mir in der Nacht ange­schaut, wie in den USA gewählt wurde. Vor allem die erste dieser Wahl­nächte war wirk­lich span­nend — und sie ging mit Obamas Sieg so aus, wie ich es mir gewünscht hatte.

Span­nend war es auch dies­mal, wenn das US-Wahl­sys­tem auch etwas unge­wohnt ist. Auf ARD, ZDF, 3sat, n‑tv, N24, Phoe­nix und ab 4 Uhr auf RTL versuch­ten die Mode­ra­to­ren verzwei­felt, die langen Stun­den zu über­brü­cken, in denen immer neue Zahlen rein­ka­men. Es liefen die immer glei­chen Aufnah­men, teil­weise aus dem US-Fern­se­hen über­nom­men. Unzäh­lige Exper­ten lasen aus den Kris­tall­ku­geln und manche konn­ten ganz genau erklä­ren wieso Hillary Clin­ton oder Donald Trump gewin­nen muss­ten. Als dann rela­tiv früh klar war, dass Trump besser abschnei­den würde als erwar­tet, waren manche Exper­ten sprach­los. Nicht wirk­lich, sie mach­ten immer noch viele Worte, aber sie sagten nichts mehr.

Nach rund drei Stun­den schal­tete ich dann den Ton ab, ich konnte das inhalts­leere Gela­ber der Mode­ra­to­ren und zuge­schal­te­ten Exper­ten nicht mehr aushal­ten. Fünf der sieben Sender hatten einge­blen­det, wieviel Stim­men für die Wahl­leute die beiden Kandi­da­ten jeweils bekom­men haben. Merk­wür­di­ger­weise hatten die Sender meist unter­schied­li­che Zahlen: Clin­ton 97, Trump 129 bei n‑tv, 104 zu 131 im Ersten, 109 zu 135 im ZDF. Um 5 Uhr war die Verwir­rung dann komplett: Laut ZDF führte Clin­ton plötz­lich mit 25 Stim­men, während sie auf n‑tv noch mit 27 zurück­lag.

Die eindrucks­vollste Show lieferte das Erste: Hier stand WDR-Fern­seh­di­rek­tor Schö­nen­born vor einer elek­tro­ni­schen Land­karte der USA und tippte mehrere Stun­den lang auf die einzel­nen Bundes­staa­ten, die dann in verschie­de­nen Farben aufleuch­te­ten. Noch während er „Wahr­schein­lich­kei­ten“ erklärte kamen ihm offen­bar Zwei­fel und plötz­lich schlug er in seiner Verzweif­lung vor, die Progno­sen doch nicht so ernst zu nehmen. Das war wohl einer der besten Sätze dieser Nacht.

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2 Kommentare

  1. Trump hat die Wahl wohl gewon­nen. Mit welchen Sach­the­men denn tatsäch­lich? Er tritt laut, reiße­risch und mit Macho­ge­habe auf. Da fühlen sich die Männer der Stamm­ti­sche und in den Trucker­treffs einfach verstan­den und ange­spro­chen. Da braucht es keine wirk­li­chen Programme und Lösun­gen für wirt­schaft­li­che Probleme.
    Ich sehe da einen welt­wei­ten Trend: Trump, Erdo­gan, Putin…, da sind doch die rich­ti­gen beisam­men.
    Stellt sich die Frage, wie geht es bei uns 2017 aus? Die AFD und ihre Able­ger agie­ren doch ganz ähnlich wie Trump. Abseits von Reali­tä­ten und Wahr­heit brül­len sie ihre Ideo­lo­gien raus.
    Es wird sicher nicht für die Kanz­ler­stelle reichen. 20–30 Prozent traue ich denen und unse­rem Wahl­volk aber mitt­ler­weile abso­lut zu.
    Leider sind es die Etablier­ten, die indi­rekt die Wähler zu derar­ti­gem Wahl­ver­hal­ten brin­gen.
    Solange wir das Thema soziale Gerech­tig­keit weiter derar­tig mit Füßen treten und unsere Regie­run­gen in Bund und Ländern Mario­net­ten der Lobby von Banken, Indus­trie usw. sind, wird sich dieser Trend fort­set­zen.
    Vom 09.11.38 oder aber auch 89 haben wir zu wenig gelernt bzw. verin­ner­licht. Schade!
    Gruß Frank

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