Versager und andere Abgründe

Von versa­gen­den Parteien, versa­gen­den Kapi­ta­lis­ten, versa­gen­den Poli­zis­ten, maulen­den Nazis, korrup­ten Ärzte, unend­li­chen Flug­ha­fen­ge­schich­ten, Rake­ten­ex­per­ten, ex-pensio­nier­ten Brief­trä­gern und Verkehrs­ver­bän­den, die ihre eigene Mail­adresse nicht kennen.

Nicht nur das Jahr geht so lang­sam zu Ende, sondern auch vieles andere. In allen poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Berei­chen brach etwas zusam­men, verschwand etwas, ging etwas zu Ende. Es ist nicht schön.

Zum Beispiel ende­ten am Sonn­tag die Sondie­rungs­ge­sprä­che der Parteien zu Grün­dung einer neuen Bundes­re­gie­rung. Die FDP macht sich damit total lächer­lich, weil sie noch im Wahl­kampf rumge­tönt hat, dass man Poli­tik neu machen muss. Offen­bar versteht sie darun­ter, Gesprä­che mit ande­ren Parteien trot­zig abzu­bre­chen, wenn man seine Inhalte nicht zu 100 Prozent durch­set­zen kann. Doch es reicht nicht, den geil gestyl­ten Chris­tian Lind­ner vier Wochen lang in die Runde zu setzen, damit ihn alle anhim­meln. Wenn es nun aufgrund des Abbruchs der Verhand­lun­gen durch die FDP zu Neuwah­len kommt, posiert Lind­ner dann im nächs­ten Wahl­kampf in Unter­ho­sen? Irgend­wie muss er es ja toppen.
Der Rück­zug der FDP hat jeden­falls bewie­sen, dass es schon ganz gut war, dass die Partei vor vier Jahren aus dem Parla­ment geflo­gen ist.

Been­det ist wird auch der Job von Hunder­ten Siemens-Arbei­tern in Moabit und Siemens­stadt. Zwischen 700 und 900 Stel­len sollen gestri­chen werden, obwohl der Konzern erst im vergan­ge­nen Jahr den höchs­ten Gewinn seiner Geschichte machte. Das ist eben der Kapi­ta­lis­mus: Da mögen die Kassen noch so laut klin­geln, wenn man einspa­ren kann, schmeißt man die Leute auf die Straße. Statt­des­sen aber gehen sie erst­mal auf dieselbe, natür­lich mit den übli­chen Drohun­gen, es „denen da oben“ jetzt zu zeigen. Schade, dass der klas­sen­be­wusste Volks­zorn immer nur dann ausbricht, wenn es an die eigene Geld­börse geht. Deshalb gibt es auch keine Soli­da­ri­tät aus ande­ren Betrie­ben.

Sogar mit der Berli­ner Poli­zei geht es bergab. Da werden ihnen in Marzahn und Schö­ne­berg von den eige­nen Grund­stü­cken Autos geklaut, als ob der Ärger mit der eige­nen „Akade­mie“ nicht reicht. Wenigs­tens springt ihnen der ehema­lige Poli­zei­prä­si­dent Georg Schertz zur Seite und fordert 8.000 neue Beamte. Aller­dings hat er über­haupt nichts mehr zu sagen, seit er vor 15 Jahren hinge­schmis­sen hat.

Schon seit zehn Jahren arbei­tete auch der Poli­zist Andreas T. nicht mehr, weil er vom Dienst suspen­diert war. Zehn Jahre hat es gebraucht, ihn endgül­tig ihm den Poli­zei­dienst zu kündi­gen, wegen Nazi-Tattoos, rechts­extre­men Sprü­chen und Zeigen des Hitler­gru­ßes. Sein Gehalt von etwa 330.000 Euro, das er in dieser Zeit in voller Höhe weiter bezo­gen hat, braucht er nicht zurück­zu­zah­len. Da kann man nur sagen: Rechts­extre­mist sein lohnt sich!

Neona­zis waren es auch, die vor einer Woche gegen eine Kunst­ak­tion am Bran­den­bur­ger Tor demons­trier­ten. Dort wurden vom deutsch-syri­schen Künst­ler Manaf Halbouni drei Busse hoch­kant aufge­stellt, die an den Krieg in Syrien erin­nern sollen. Schon als sie Anfang des Jahres in Dres­den stan­den, hatten die Faschis­ten Schaum vor dem Mund. Nicht nur, dass ein nicht­ari­scher Künst­ler so etwas auf deut­schem Boden aufstellt, er verbin­det es auch noch mit einer Anklage gegen den Krieg. Und er erin­nert damit an mehrere zehn­tau­send Flücht­linge, die seit 1993 auf der Flucht nach Europa ums Leben gekom­men sind. So was wollen sie in der Reichs­haupt­stadt nicht.

Schon seit 1980 tot ist John Lennon. Plötz­lich tauch­ten vor eini­gen Tagen seine runde Brille und 70 bis 80 weitere Dinge aus seinem Nach­lass in Berlin auf. Darun­ter auch seine Tage­bü­cher. Muss jetzt ein Teil der Geschichte neu geschrie­ben werden? Seine Ex Yoko Ono jeden­falls, deren Chauf­feur die Sachen einst geklaut haben soll, freut sich. Anders als der 58-jährige Hehler, der die Dinge im Inter­net ange­bo­ten hatte. Der sitzt erst­mal hinter Gittern.

Eben­falls tot sind einige Berli­ner, deren Hinter­blie­bene danach von Ärzten und einem Bestat­ter über den Tisch gezo­gen wurden. Mitten in die Verzweif­lung, einen Ange­hö­ri­gen verlo­ren zu haben, vermit­tel­ten die Ärzte ein Bestat­tungs­un­ter­neh­men in Hellers­dorf, das den Medi­zi­nern dafür jeweils 300 Euro Vermitt­lungs­ge­bühr zahlte. Letzt­end­lich zahl­ten das natür­lich die Hinter­blie­be­nen. Und nun ermit­telt die Kassen­ärzt­li­che Verei­ni­gung gegen eine Reihe ihrer Mitglie­der. Ob sich der Betrug für die letzt­end­lich gelohnt hat?

Wo wir schon beim Geld sind: Kaum eine Über­ra­schung ist es, dass auch der Flug­ha­fen BER vermut­lich noch später eröff­net (und entspre­chend teurer wird), als bisher zuge­ge­ben. Nach­dem ein neuer gehei­mer TÜV-Bericht bekannt wurde, versucht Flug­ha­fen-Chef Engel­bert Lütke Daldrup zwar verkrampft, locker zu wirken und spielt das alles als „längst bekannt“ herun­ter. Aber der Bericht stuft selbst schon fertig geglaubte Berei­che wieder so ein, dass sie nicht funk­ti­ons­fä­hig sind. Das Kasper­le­thea­ter geht also weiter und im Dezem­ber soll dann wieder mal ein Termin genannt werden. Nicht zur Eröff­nung, aber zur Fertig­stel­lung. Kommen­tar über­flüs­sig.

Gesucht werden jedoch nicht nur kompe­tente Planer, sondern auch Exper­ten für Rake­ten­sys­teme. Jedoch nicht am BER, selbst wenn man auch dort mal über den Einsatz von Boden-Boden-Rake­ten nach­den­ken sollte. Nein, der Bundes­nach­rich­ten­dienst hat Jobs zu verge­ben. Nach­dem sein größen­wahn­sin­ni­ger Neubau in der Chaus­see­straße lang­sam fertig wird, sind bereits die ersten paar hundert Arbeits­plätze von Bayern aus umge­zo­gen. Jetzt werden Dolmet­scher für Russisch und Arabisch gesucht, sowie Inge­nieure, die sich mit der „tech­ni­schen Analyse ballis­ti­scher Rake­ten­sys­teme“ ausken­nen. Das ist doch die Chance für alle, die im Physik­un­ter­richt aufge­passt haben!

Suchen tut auch die Deut­sche Post. Nach etli­chen Beschwer­den, dass manche Briefe über eine Woche lang nicht ausge­tra­gen werden, sucht sie nun drin­gend Brief­trä­ger. Ange­stellte, die einen neuen Post­bo­ten anschlep­pen, bekom­men eine Prämie von 200 Euro. Längst pensio­nierte Post­be­amte werden wieder in den Dienst zurück­be­or­dert. Dabei gäbe es doch eine viel nahe liegen­dere Lösung: Gebt den Leuten einfach einen unbe­fris­te­ten Vertrag und dazu einen Lohn, von dem sie auch leben können! Manch­mal könnte es so einfach sein.

Eben­falls auf der Suche ist der Verkehrs­ver­bund Berlin-Bran­den­burg. Für sein Netz Elbe-Spree werden neue Betrei­ber gesucht und das wurde pflicht­ge­mäß im Euro­päi­schen Amts­blatt bekannt­ge­ge­ben. Blöd nur, wenn man darin die eigene E‑Mail-Adresse falsch schreibt und niemand sein Ange­bot schi­cken kann. Aber egal, es geht dabei ja nur um einen Auftrag von mehre­ren Dutzend Millio­nen Euro.

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