Moabiter Sonette

Es ist ein tragi­sches Buch, das Albrecht Haus­ho­fer geschrie­ben hat. Tragisch wie auch seine eigene Geschichte, die mit den 80 Sonet­ten eng verbun­den ist. Denn Haus­ho­fer war zwar kein Nazi, aber auch nicht der typi­sche Anti­fa­schist während der NS-Zeit. Durch seinen Vater Karl früh in die Kreise der NSDAP gera­ten, verkehrte er mit dem Hitler-Stell­ver­tre­ter Rudolf Heß und dem Außen­mi­nis­ter Joachim von Ribben­trop. Ihn beglei­tete er 1938 zur Münche­ner Konfe­renz, mit Heß besprach er dessen Flug nach England 1940.
Sogar die Sonette waren eine Auftrags­ar­beit: Im Januar 1945 hatte Haus­ho­fer von Hein­rich Himm­ler den Auftrag bekom­men, seine aktu­elle Ansicht zur einge­tre­te­nen Lage aufzu­schrei­ben.

Damals hatte er sich jedoch schon längst von den Nazis entfernt, vermut­lich schon seit Kriegs­be­ginn. Als Mitwis­ser von Stauf­fen­bergs Hitler-Atten­tat musste er sich ab dem Sommer 1944 verste­cken, bis er im Dezem­ber entdeckt und verhaf­tet worden ist. Man brachte ihn ins Zellen­ge­fäng­nis Moabit.

Die Sonette bilden Haus­ho­fers Gedan­ken zu allen zeit­li­chen Berei­chen der NS-Zeit ab, ohne in jedem Fall einem konkre­ten Ereig­nis zuge­ord­net werden zu können. Vieles bleibt vage, manches dage­gen ist sehr klar. Am beein­dru­ckends­ten sind sicher die Texte, in der die Situa­tion des Gefäng­nis­ses und sein erzwun­ge­ner Aufent­halt darin behan­delt werden.

Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt
Ist unter Mauer­werk und Eisen­git­tern
Ein Hauch leben­dig, ein gehei­mes Zittern
Das ande­rer Seelen tiefe Not enthüllt.
Ich bin der erste nicht in diesem Raum
In dessen Hand­ge­lenk die Fessel schnei­det
An dessen Gram sich frem­der Wille weidet.

In Texten wie Maschi­nen­skla­ven, Heimat, Mutter oder Nach­barn schaut er auf Ereig­nisse wie die Olym­pi­schen Spiele 1936, auf die Zerstö­rung von Städ­ten im Krieg und auch auf seine Flucht nach dem Hitler-Atten­tat. Manche von ihnen sind beson­de­res bewe­gend, wie das Gedicht über seine Mitge­fan­ge­nen, darun­ter auch sein Bruder. Schon die Titel eini­ger Texte wie Schuld, Verhäng­nis oder Verbrannte Bücher zeigen bereits, wie seit sich Haus­ho­fer in den ersten 1945er Mona­ten von seiner Vergan­gen­heit distan­ziert.

Dass Himm­ler von Texten wie Unter­gang oder Dem Ende zu nicht begeis­tert sein würde, war Albrecht Haus­ho­fer klar. Trotz­dem machte er sich viel­leicht Hoff­nung, als er in der Nacht zum 23. April 1945 zusam­men mit ande­ren Häft­lin­gen verlegt werden sollte. Doch es war eine Verle­gung in den Tod: Wenige hundert Meter weiter wurden er und die ande­ren erschos­sen.
Haus­ho­fer liegt auf dem Kriegs­grä­ber­fried­hof in der Wils­na­cker Straße in Moabit, nicht weit entfernt von dem Ort seiner Haft und seiner Ermor­dung.

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