Der Besserwisser

Manche Fahr­gäste sind wirk­lich extrem nervig. Wie einer der beiden, die diese Woche vom Haupt­bahn­hof zum Gendar­men­markt woll­ten. Sie stie­gen an der südli­chen Taxi­halte am Washing­ton­platz ein.
“Bitte auf dem kürzes­ten Weg!”

Also fuhr ich los zum Kapelle-Ufer, um von dort über Reinhardt‑, Luisen‑, Doro­theen- und Glin­ka­straße zur Fran­zö­si­schen zu fahren und dann nur noch links zum Gendar­men­markt. Eine einfa­che Tour — dachte ich. Aber noch bevor wir das Bahn­hofs­ge­lände verlas­sen hatten, fing der Mann an:
“Wo fahren Sie denn lang?”
“Zum Gendar­men­markt. Oder woll­ten Sie doch woan­ders hin?”
“Nein, aber Sie hätten auch hier links fahren können.”
“Da kommen wir aber zur Inva­li­den­straße, dass ist eindeu­tig die falsche Rich­tung.”
“Das weiß ich selber! Aber dann kann man in den Tunnel fahren, das geht doch viel schnel­ler.”
“Eben haben Sie gesagt, Sie möch­ten auf dem kürzes­ten Weg fahren. Und abge­se­hen davon, dass man hier derzeit gar nicht zur Inva­li­den­straße durch­kommt und da auch nicht mehr links zum Tunnel abbie­gen kann, ist die Stre­cke auch wesent­lich länger. Der Tunnel kommt ja erst am Kemper­platz wieder raus, viel zu weit südlich.”
“Das stimmt doch gar nicht. Er kommt am Pots­da­mer Platz raus und das ist ja fast am Gendar­men­markt.”
“Wenn Sie meinen. Soll ich jetzt also zum Tunnel fahren oder den kürze­ren Weg?”
“Natür­lich den kürze­ren. Das hatte ich doch gesagt.”

Seine weib­li­che Beglei­tung hatte bisher geschwie­gen, offen­bar war sie solch ein Verhal­ten schon gewohnt. Jetzt meinte sie aber doch:
“Nun lass ihn doch mal fahren, er wird schon wissen, wo es lang geht.”
“Offen­bar ja nicht, sonst würde er nicht hier lang fahren.”

Lang­sam reichte es mir. Wir waren eben an der Marga­rete-Stef­fin-Straße ange­kom­men, einer schma­len Straße, die sich an der Stadt­bahn entlang von der Rein­hardt- zur Luisen­straße windet. Ich fuhr rechts ran und fragte, ob ich nun weiter­fah­ren soll oder ob er lieber ausstei­gen wolle.
“Ja, ja, und dann geben Sie über Funk bescheid und wir finden wieder kein Taxi. Was ist das hier über­haupt für eine Gegend? Das kann ja nicht der korrekte Weg sein.”
“Ich habe Ihnen gerade ange­bo­ten auszu­stei­gen, wenn Sie nicht mit mir fahren wollen.”
“Ja, ja, machen Sie schon. Ich will zum Hotel.”

Gerade über­legte ich, ob ich die Fahrt nun beende, da sagte seine Beglei­te­rin: “Du kannst gerne ausstei­gen. ICH fahre jeden­falls weiter mit dem Herrn. Was hast du nur immer gegen die Taxi­fah­rer?”
“Man muss eben immer aufpas­sen, dass man nicht übers Ohr gehauen wird.”
Jetzt war es wirk­lich genug. Ich schrie ihn an: “Ruhe jetzt oder raus! Wenn Sie kein Beneh­men haben, dann laufen Sie eben. Ich lasse mich doch von Ihnen belei­di­gen!”

Das war er nicht gewohnt. Er nuschelte noch was von “Unver­schämt­heit” und dass er sich über mich beschwe­ren würde. Ok, das kann er gerne tun.
In den rest­li­chen Minu­ten war dann Ruhe im Wagen. Zwar muffelte er noch vor sich hin, aber ich machte demons­tra­tiv das Radio lauter.

Am Gendar­men­markt ange­kom­men stan­den 7,80 Euro auf dem Taxa­me­ter. Er reichte mir einen Zehner und von hinten sagte seine Beglei­te­rin “Stimmt so!”
Jetzt konnte ich es mir aber doch nicht verknei­fen: “Schmer­zens­geld?”, fragte ich. Und beide fingen wir an zu lachen.
Nur einer lachte nicht…

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5 Kommentare

  1. Hättest du nicht auch durch den Schiff­bau­er­damm oder wenigs­tens die Marga­rete-Stef­fin-Straße fahren können? Das sieht zumin­dest bei Google Maps so aus als könn­test du da gegen­über dem direk­ten Weg Rein­hardt­straße — Luisen­straße noch­mal 20 Meter sparen ;-)

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