Irrweg in die Kantstraße

Ich stand mit dem Taxi bei Rot an der Kreu­zung am Savi­gny­platz. Neben mir auf dem Bürger­steig vier müde Gestal­ten südlän­di­scher Herkunft. Ihr Gepäck, ihr suchen­der Blick, der Zettel in der Hand des einen – das kenne ich schon: Gerade einge­trof­fene Flücht­linge auf der Suche nach ihrer Unter­kunft. Sie erwi­der­ten meinen Blick, schöpf­ten Hoff­nung, also fuhr ich rechts ran und stieg aus. Sofort kamen sie auf mich zu.

Es war, wie ich vermu­tet hatte: Die Fami­lie war zuvor in der “Unter­brin­gungs­leit­stelle” des Landes­amts für Sozia­les in Moabit gewe­sen, dort wo sich alle neu ankom­men­den Flücht­linge in Berlin melden müssen und von wo aus sie an soge­nannte Erst­auf­nah­me­stel­len weiter­ver­mit­telt werden – also Heime, Flücht­lings­la­ger. Sie zeig­ten mir den Zettel, den sie in der Turm­straße bekom­men hatten und darauf stand eindeu­tig, dass sie zum Lager in der Krupp­straße gehen müss­ten. Das besteht aus zwei großen Trag­luft­hal­len und ist zu Fuß ca. 10 Minu­ten vom Landes­amt entfernt. Wie die Vier nun in Char­lot­ten­burg gelan­det sind, war mir ein Rätsel. Zumal auf dem Zettel ein Stadt­plan mit dem einge­zeich­ne­ten Weg abge­druckt war.

Geld hatten sie nicht, abge­se­hen von ein paar Dollar. Was also tun? Eine Wegbe­schrei­bung bis nach Moabit zu geben und sie einfach stehen­zu­las­sen, wäre falsch. Wer weiß, wo sie dann gelan­det wären. Also verfrach­tete ich sie ins Taxi und fuhr sie ohne Bezah­lung zur Krupp­straße. Auf dem Weg erklärte mir einer der Syrer, der etwas Englisch sprach, dass sie von einem ande­ren Taxi herge­bracht worden waren, der Fahrer hätte ihnen dafür die ganzen 20 Euro abge­nom­men, die sie hatten. Das Geld hatten sie kurz zuvor vom Landes­amt erhal­ten. Ich war echt erschüt­tert über dieses schä­bige Verhal­ten des Kolle­gen, der eine solche Situa­tion von Flücht­lin­gen ausnutzt, um an ein paar Euro zu kommen. Von einem Verse­hen ist kaum auszu­ge­hen, denn die Krupp­straße kannte er sicher. Aber vermut­lich war ihm sie Stre­cke nicht lang genug denn er hätte entspre­chend weni­ger daran verdient.

Am Lager ange­kom­men pack­ten wir das Gepäck aus und uns kam ein Ange­stell­ter entge­gen. Ich erklärte ihm die Situa­tion, dann fuhr ich wieder los. Schade dass ich wohl nie erfah­ren werde, welcher Taxi­fah­rer das war. Mit dem würde ich gerne mal ein Wört­chen reden.

print

Zufallstreffer

Berlin

The Story of Berlin

The Story of Berlin ist eine welt­weit einzig­ar­tige Ausstel­lung, die im Juni 1999 eröff­net wurde. Unmit­tel­bar am Kudamm gele­gen bietet sie auf rund 6.000 Quadrat­me­tern Fläche und vier Geschos­sen span­nende Insze­nie­run­gen und viel­fäl­tige Infor­ma­tio­nen zur […]

2 Kommentare

  1. Hallo Aro,

    ja es ist wirk­lich erschüt­ternd wie verfro­re­nen manche Menschen hilf­lose Menschen ausnut­zen. Auch in meiner Bran­che wird der Ton und das Beneh­men der Fahrer den Kolle­gen und den Fahr­gäs­ten immer ruppi­ger. Es scheint die heutige Zeit zu sein, welche Mitge­fühl und Barm­her­zig­keit aus den Köpfen der Menschen verbannt. Viel­leicht ist es auch einfach die Anony­mi­tät des Inter­net, was dazu führt, dass keiner mehr auf den ande­ren achtet. So hart wie Heute ist mir unsere Welt noch nie vorge­kom­men. Dazu passen auch die großen Bilder in der Stadt, welche die Kriegs­flücht­linge zeigen. Auch damals wollte sie niemand wirk­lich haben. Das sind wirk­lich bis heute die Ärms­ten der Armen.

    Uns bleibt nur, dass zu tun was uns unser Herz sagt und nicht auch abzu­glei­ten in den Sumpf der HERZ­LO­SIG­KEIT und GIER. Damit tun wir uns selbst auch einen Gefal­len, da wir uns nicht mit solch furcht­ba­ren Menschen umge­ben.

    Liebst gegrüßt von mir.

    Michael

    PS. Der Fahrer dieser Fami­lie wird seine Strafe bekommen…irgendwann.

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*