Das Romanische Café

Dort wo sich heute der Vorbau des Europa-Centers zum Breitscheidplatz hin erstreckt, stand ein beeindruckendes Gebäude mit zwei Türmen, das die Tauentzienstraße mit der heutigen Budapester Straße (damals noch Kurfürstendamm) verband. Der Platz war 1895 noch nach Auguste Viktoria benannt, als das neue Café über die ganze Platzbreite in das Gebäude einzog. Es entwickelte sich bald zur ersten Adresse für Schriftsteller und andere Künstler. Hier am Schnittpunkt des Kudamms und der Tauentzienstraße benötigten sie einen öffentlichen Ort, der gleichzeitig von denen abzugrenzen war, die ihnen zu nahe auf die Pelle rücken wollten; sei es aus Verehrung, sei es, weil sie selber dazu gehören wollten.

Das Romanische Café bot den vermeintlichen und tatsächlichen Künstlern einen Teil der Räumlichkeiten an, damit sich diese treffen konnten. Es wurde ein Treffpunkt derjenigen, die der Enge des Kaiserreiches etwas entgegensetzten, Berliner Boheme, Salon-Revoluzzer, Schreiber, Maler. Das Café lag mitten in ihrem Viertel, es war ihr natürliches Zentrum.
Otto Dix, Hugo Lederer und Else Lasker-Schüler grenzten sich bewusst von denjenigen ab, die es noch nicht „geschafft“ hatten. Die Arroganz der Erfolgreichen wurde von der Geschäftsleitung des Cafés unterstützt, in denen sie für eine räumliche Trennung sorgte. Welcher Künstler mit Anspruch es nicht ins Romanische Café schaffte, der gehörte zum gesellschaftlichen Leben nicht richtig dazu. Das galt erst recht gegen Ende der Zwanziger Jahre, als auch Tänzer, Film- und Theater-Schauspieler oder Regisseure wie Billy Wilder zu den Stammgästen gehörten. Philosophen nutzen die Runde, um ihre Sicht der Dinge zu propagieren, das Café war das Epizentrum derjenigen, die sich für die Avantgarde hielten.

Über all die Jahre hinweg war das Romanische Café auch eine Art Jobbörse, bei der junge Künstler und Schauspieler versuchten, die Aufmerksamkeit ihrer Vorbilder zu erregen, um damit ihre Karriere zu befördern. Es erhielt auch den Beinamen „Wartesaal“, weil viele hier nur herumsaßen und warteten – auf ihre „Entdeckung“, auf eine Inspiration oder auf jemanden, der ihnen eine Tasse Kaffee spendierte.

Mit dem Erstarken der Nazis verlor das Romanische Café bald seine Funktion als Literatentreffpunkt, viele seiner bisherigen Gäste flohen aus Deutschland. Vor allem nach der Machtübergabe an die NSDAP entdeckte es die Gestapo für sich, sowie Intellektuelle mit einem Faible für die Rassenideologie der Nazis.

Am 23. November 1943 wurde das Gebäude zerstört, es brannte bis auf die Grundmauern nieder. Erst 1963 begann man mit dem Aufbau einer neuen Legende, dem Europa-Center. Aber das ist eine andere Geschichte.

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