Gefährliche Liebe

Bekanntlich wurden manche Spitzel der DDR-Staatssicherheit im Westen „Romeo“ genannt. Sie hatten die Aufgabe sich an Damen heranzumachen, die wiederum an geheimdienstlich interessante Dokumente kamen. Kopie gegen Liebe, so war das gedacht. Natürlich gab es das auch mit vertauschten Rollen und es war auch keine Erfindung der Stasi. Legendär der „Salon Kitty“ in der Charlottenburger Giesebrechtstraße, in dem die Damen während der Nazizeit Kontakte zu Diplomaten pflegten, nicht nur sexueller Natur.

Ausspähungsopfer der Damen im Auftrag des Sozialismus‘ soll auch der einstige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel, gewesen sein. Sicher weiß man es von Heinrich Lummer. Als die Dame „Susanne Rau“ aus Ost-Berlin ihn 1973 ansprach, war er schon 20 Jahre in der Berliner CDU und Fraktions-Chef im Abgeordnetenhaus. Er war längst als Rechtsaußen der Partei bekannt. Die 15 Jahre jüngere „Susanne“ war offiziell im staatlichen Kunsthandel der DDR aktiv und durfte deshalb als erst 25-Jährige bereits in den Westen reisen – so ihre Legende.
Heinrich Lummer war in West-Berlin als Lebemann bekannt. Viele Wirte in der City verdankten ihm einen guten Umsatz, sein lebhaftes Nachtleben war Stadtgespräch. Die Bekanntschaft mit der Spionin führte ihn nun auch öfter nach Ost-Berlin. Dort zog er nun mit ihr durch die Kneipen und die umliegenden Wälder und natürlich in ihre extra eingerichtete Wohnung. Er lernte „Bekannte“ von ihr treffen, die im realen Leben natürlich ebenfalls Stasileute waren. Weniger offen sichtbar waren die Agenten, die auch die intimen Stunden zwischen Heinrich und Susanne beobachteten und belauschten. Sie sammelten das Material, das sie später zu seiner Erpressung nutzen wollten.
Doch es kam anders. Heinrich Lummer ahnte vielleicht, was gespielt wird, jedenfalls nahm er Kontakt zum Bundesnachrichtendienst sowie zum Verfassungsschutz auf. Was er genau berichtete, weiß man bis heute nicht. Acht Jahre nach Beginn des Tête-à-tête wurde er in West-Berlin Innensenator – und damit auch zum Herrn über den Landesverfassungsschutz. Gerade jetzt, wo er für die Staatssicherheit hätte wertvoll werden können, brach er den Kontakt zu seiner Liebschaft ab. Die Stasi versuchte mehrmals, ihn zu kontaktieren, doch Telefonate und Briefe aus Ost-Berlin ignorierte er von nun an.
Da Lummer während seiner Freundschaft mit „Susanne“ nicht mehr verheiratet war und – soweit man das heute weiß – auch keine geheimen Informationen an die Stasi weitergegeben hatte, gab es kein Erpressungspotenzial.
1986 tauchten allerdings Hinweise auf, dass Heinrich Lummer einige Jahre vorher 2.000 DM an eine Gruppe Neonazis der NPD gezahlt hatte, damit sie Wahlwerbung der SPD zerstören. Woher die Hinweise kamen, kann man sich denken. Sie führten dazu, dass Lummer von seinem Amt als Innensenator zurücktreten musste.
Erst 1989, allerdings vor dem Fall der Mauer, gab es Gerüchte über die Kontakte nach Ost-Berlin. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt ja längst kein Senator mehr war, sorgte der West-Berliner Verfassungsschutz dafür, dass die Affäre vertuscht wurde.

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