Hetze gegen Klima-Aktivisten

Jeden Tag fahre ich rund 40 Kilo­me­ter über die Berli­ner Stadt­au­to­bahn, A100 und A111. Also genau die Stre­cke, an deren Ausfahr­ten sich immer wieder Menschen auf den Boden ankle­ben, um damit gegen die deut­sche Klima­po­li­tik zu protes­tie­ren. Einmal musste ich deswe­gen eine Drei­vier­tel­stunde warten, die ande­ren Male hatte ich Glück und war immer recht­zei­tig wieder runter von der Straße oder habe die Akti­vis­tIn­nen auf der Ausfahrt gegen­über oder auf einer der Schil­der­brü­cken gese­hen.

Als ich vor eini­gen Tagen mit einer Kolle­gin unter­wegs war, schimpfte sie über die Leute, die sich da ankleb­ten, und auch andere höre ich stän­dig, dass sie das verur­tei­len.
Aber ist das wirk­lich so schlimm? Natür­lich ist es rich­tig ätzend, wenn man plötz­lich aus seinem Zeit­plan geris­sen wird und lange im Auto warten muss auf dem Weg zur Arbeit, wenn man Termine hat oder einfach auf die Toilette muss. Mir hilft es aber, wenn ich über die Beweg­gründe nach­denke: Die “Letzte Gene­ra­tion” sind Menschen, die ihre Gesund­heit, ihr Geld, teil­weise auch ihre Frei­heit aufs Spiel setzen. Ganz sicher nicht aus Spaß oder Lange­weile, sondern weil es ihnen Ernst ist. Anders als ein Groß­teil der Deut­schen sehen sie die Klima­er­wär­mung als ein Riesen­pro­blem an und haben Angst vor der Zukunft. Sie versu­chen mit ihren Aktio­nen, die Igno­ranz der Bürge­rIn­nen zu durch­bre­chen. Dass das mit diesen Mitteln funk­tio­niert, ist aller­dings zwei­fel­haft. Mit ihren Aktio­nen wenden sie sich gegen die einfa­chen Bürger, aber kaum gegen die Entschei­der. Das ist auch der Grund, weshalb ich sie ablehne.

In den vergan­ge­nen Tagen wurden die Akti­vis­ten von zahl­rei­chen Medien immer mehr verbal ange­grif­fen, vor allem, nach­dem am Montag in der Bundes­al­lee eine Radfah­re­rin von einem Beton­mi­scher über­fah­ren wurde. Die Hetze hat gestern und heute einen neuen Höhe­punkt erreicht, weil die Frau an ihren Verlet­zun­gen gestor­ben ist. Argu­men­tiert wird damit, dass ein Bergungs­fahr­zeug der Feuer­wehr auf der Auto­bahn im Stau stand. Es ist offen­sicht­lich, dass dies ein will­kom­me­ner Anlass ist, um Hass gegen die Klima­ak­ti­vis­ten zu verbrei­ten.

Tatsa­che ist:

  • Auf der Auto­bahn zwischen dem Jakob-Kaiser-Platz (von wo das Fahr­zeug kam) zur Ausfahrt Detmol­der Straße ist auch ohne Klebe­ak­tion stän­dig Stau. Das Fahr­zeug hätte, auch nach Anga­ben des Feuer­wehr­spre­chers, gar nicht diesen Weg wählen dürfen.
  • Dass ein Feuer­wehr­fahr­zeug im Stau steckt, liegt daran, dass viele Auto­fah­rer keine Rettungs­gasse bilden, wozu sie verpflich­tet sind.
  • Die Akti­vis­ten hatten sich gar nicht auf den Boden geklebt, sonders stan­den nur auf einer Schil­der­brü­cke über der Auto­bahn. Zuvor hatten sie die Poli­zei infor­miert, damit sie Einsatz­fahr­zeuge gege­be­nen­falls umlei­ten könnte.
  • Schwer­wie­gend ist vor allem die Aussage der Notärz­tin, die die verletzte Radfah­re­rin betreute. “Der Stau hatte keine Auswir­kun­gen auf die Rettung der verun­glück­ten Radfah­re­rin.” Die Frau konnte auch ohne das Spezi­al­fahr­zeug gebor­gen werden, war aber so schwer verletzt, dass sie später starb.
  • Selbst die Feuer­wehr sagt, dass der Einsatz ihres Rüst­fahr­zeugs die Frau nicht geret­tet hätte.
  • Letzt­end­lich ist die Radfah­re­rin nicht von den Klima­ak­ti­vis­ten getö­tet worden, sondern von dem LKW. Wenn man jetzt die Protes­tie­re­rIn­nen verant­wort­lich macht, muss man auch jeden Bauar­bei­ter verur­tei­len, der auf einer Stra­ßen­bau­stelle arbei­tet und damit einen Stau verur­sacht.

Die Hetze vieler Medien gegen dieje­ni­gen, die sich für eine Rettung des Klimas einset­zen, ist verur­tei­lens­wert. Hier werden die Über­brin­ger der schlech­ten Nach­richt bestraft, nicht dieje­ni­gen, die sie zu verant­wor­ten haben. Manche Zeitun­gen behaup­ten als Tatsa­che, dass die “Klima-Kleber” nun Schuld am Tod der Radfah­re­rin sind. Dies ist eine Hetze im Stil des Stür­mers, die leider auch von Poli­ti­kern mehre­rer Parteien über­nom­men wird.

Foto: Felix Müller (CC BY-SA 4.0)

print

Zufallstreffer

4 Kommentare

  1. Ich frage mich natür­lich, warum Sie jeden Tag 40km mit dem Auto fahren, statt mit der Bahn und damit genau einer der Verur­sa­cher für die Klima­krise sind. Merk­wür­dig, dass Ihnen das gar nicht aufzu­fal­len scheint…

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*