Tempelhof

Dorfkirche im Alten Park am Tempelhofer Damm

Inner­halb Berlins gilt Tempel­hof als eher verschla­fe­ner Stadt­teil. Wirk­lich Span­nen­des erwar­tet man hier nicht, er ist das klas­si­sche Zuhause von Ange­stell­ten und Beam­ten. Dass er trotz­dem bundes­weit bekannt ist, wenigs­tens vom Namen her, verdankt er der Exis­tenz seines Flug­ha­fens. Doch dessen große Zeiten sind längst vorbei. Sie lagen vor allem in der Mitte des vergan­ge­nen Jahr­hun­derts. Die Geschichte des Ortes als Flug­feld beginnt aber schon Ende des 19. Jahr­hun­derts. Vorbei. Längst ist auch dieser Flug­ha­fen Vergan­gen­heit und damit verblasst Tempel­hof auch als Name. Seit 2001 ist es nicht mal mehr ein eigen­stän­di­ger Bezirk, sondern mit Schö­ne­berg zusam­men­ge­schlos­sen.

Tempel­hof verdankt seinen Namen und das Kreuz in seinem Wappen den Tempel­her­ren, christ­li­chen Ordens­rit­tern, die zu Beginn des 13. Jahr­hun­derts am Nord­rand des Teltower Höhen­zu­ges die Ordens­ver­wal­tung Tempel­hof errich­te­ten. Sie widme­ten sich hier fried­lich kolo­ni­sa­to­ri­schen und wirt­schaft­li­chen Aufga­ben. Im Schutze der Wehr­an­lage des geist­li­chen Ritter­or­dens legten Bauern das Anger­dorf “Tempel­hoffe” bzw. “Tempel­ho­ven” an. Eben­falls im 13. Jahr­hun­dert entstan­den die Sied­lun­gen Mari­en­dorf und Mari­en­felde, auch sie also mit nament­li­chem Bezug zum Chris­ten­tum. In Mari­en­felde steht noch heute die alte Dorf­kir­che von 1220, sie ist eines der ältes­ten Bauwerke Berlins und als Wehr­kir­che errich­tet worden.
1330, nach der Auflö­sung des Temp­ler­or­dens, gingen die drei Sied­lun­gen in den Besitz des Johan­ni­ter­or­dens über, der sie 1435 an Berlin und Cölln verkaufte. Das Dorf Lich­ten­rade mit seinen Lände­reien ging 1515 an die Verwal­tung des Berli­ner Doms. In der Folge­zeit, bis weit ins 19. Jahr­hun­dert hinein, änder­ten sich die Besitz­ver­hält­nisse der vier Sied­lun­gen immer wieder, aller­dings handelte es sich noch immer nur um klei­nere Dörfer, die z.B. im Jahr 1800 zusam­men nicht mehr als 700 Einwoh­ner hatten.

1827 wurde das Tempel­ho­fer Feld vom preu­ßi­schen Staat gekauft und Trup­pen­übungs­platz und Para­de­feld der preu­ßi­schen Mili­tär­macht. Gegen Ende des 19. Jahr­hun­dert began­nen dort Versu­che von Flug­pio­nie­ren. Der erste tödli­che Flug­un­fall erfolgte 1897, als der Luft­schiff­kon­struk­teur Wölfert und sein Mecha­ni­ker mit ihrem von einem Benzin­mo­tor ange­trie­be­nen Luft­schiff über dem Flug­feld abstürzte. Im selben Jahr folgte der Öster­rei­cher Schwarz mit seinem Alumi­ni­um­luft­schiff, vom Himmel auf die Erde und wieder zurück.
Ein Jahr später mach­ten auf dem Tempel­ho­fer Feld ein paar Männer Geschichte, die heute kaum noch jemand kennt: Sie grün­de­ten den ersten Fußball­ver­ein Deutsch­lands, “Germa­nia 1888”.

Anders als im Zentrum Berlins ließ sich die Grün­der­zeit mit all ihren Auswir­kun­gen hier ruhig an: Im Jahr 1900 hatten die vier Sied­lun­gen gerade 18.500 Einwoh­ner, die Hälfte davon in Tempel­hof, sie lebten vor allem rund um die heutige Straße “Alt-Tempel­hof”.
1910 verkaufte die preu­ßi­sche Mili­tär­ver­wal­tung als größ­ter Grund­stücks­eig­ner ein riesi­ges Gebiet west­lich des Flug­ha­fens für 72 Millio­nen Gold­mark. Es entstand der Stadt­teil “Neu-Tempel­hof”, der später inof­fi­zi­ell das “Flie­ger­vier­tel” genannt wurde. Zum einen, weil dort 1936 insge­samt 16 Stra­ßen feier­lich nach “Flie­ger­hel­den” des 1. Welt­kriegs umbe­nannt wurden. Aber auch, weil viele der Gebäude, sowohl die Einfa­mi­li­en­häuer wie auch größe­ren Wohn­blö­cke, vom Boden- und Luft­per­so­nal des nahen Flug­ha­fens bewohnt waren.
Im Jahr 1913 erhielt Mari­en­dorf seine Attrak­tion, die Trab­renn­bahn, die mehrere zehn­tau­send pfer­de­be­geis­terte Besu­cher fasst. Sie wurde weit über Berlin hinaus bekannt. Als 1920 mit zahl­rei­chen Einge­mein­dun­gen die Stadt­ge­meinde Groß-Berlin gegrün­det wurde, war es keine Frage, dass Tempel­hof, Mari­en­dorf, Mari­en­felde und Lich­ten­rade dazu­ge­hö­ren. Sie erhiel­ten als 13. Verwal­tungs­be­zirk den Namen Tempel­hof.

Ab den 1920er Jahren machte der Flug­ha­fen natio­nal und inter­na­tio­nal Karriere. Der regel­mä­ßige Flug­be­trieb wurde 1923 aufge­nom­men, zuerst nach München und Königs­berg. Hermann Köhl, Ange­stell­ter der Luft­hansa, lebte 1928 in Tempel­hof, als er als erster Mensch einen Non-Stop-Flug von Europa über den Atlan­tik machte. Köhl star­tete vom Flug­ha­fen Tempel­hof nach Irland und flog von dort in 36 Stun­den nach Neufund­land. Ihm folg­ten bald zahl­rei­che andere. Vor allem nach Fertig­stel­lung des neuen Zentral­flug­ha­fens, dessen Geschichte über Jahre hinweg ein Spie­gel­bild der Geschichte der Welt­luft­fahrt war, galt Berlin-Tempel­hof als Verkehrs­luft­kreuz Euro­pas. Der riesige Komplex des Flug­ha­fen­baus von Ernst Sage­biel, der die Über­le­gen­heit des NS-Staa­tes symbo­li­sie­ren sollte, ist noch heute das viert­größte Gebäude der Welt und das größte in Europa.
In der Nach­kriegs­zeit bekam Tempel­hof eine beson­dere Bedeu­tung: Während der Berlin-Blockade vom 28. Juni 1948 bis 11. Mai 1949 star­te­ten und lande­ten hier die Rosi­nen­bom­ber im 90-Sekun­den-Takt und versorg­ten die West-Berli­ner Bevöl­ke­rung mit allem, was man per Luft trans­por­tie­ren kann — bis hin zu einem komplet­ten Kraft­werk. 40 Pilo­ten fanden bei der Aktion den Tod, einige Maschi­nen stürz­ten auch beim Anflug über bewohn­tem Gebiet in Tempel­hof ab.

Paral­lel mit der Entwick­lung des Flug­ha­fens entstan­den in Tempel­hof zahl­rei­che Unter­neh­men. Der Teltow­ka­nal sowie die Anbin­dung durch die Berlin-Dresd­ner Eisen­bahn lockte Indus­trie­be­triebe an. Nach dem Bau der Mauer verla­gerte sich die Indus­trie immer weiter nach Süden, direkt an die Grenze.
Eine andere Form von Betrieb begann im Sommer 1979: Auf einem ehema­li­gen Film­ge­lände am Teltow­ka­nal stan­den die Produk­ti­ons­hal­len unge­nutzt herum. Sie wurden von ein paar Dutzend Leuten besetzt und in den folgen­den Jahren als “Fabrik für Kultur, Sport und Hand­werk” ausge­baut. Bis heute wird hier unter dem Namen ufaFa­brik gelebt und gear­bei­tet: Es gibt viele kultu­relle Veran­stal­tun­gen, den ufaCir­cus, eine Bäcke­rei, ein Café und eine freie Schule. So sehr die ufaFa­brik damals ein Fremd­kör­per im bürger­li­chen Tempel­hof war, so sehr ist sie heute ein Teil dieses Stadt­teils. In der unmit­tel­ba­ren Umge­bung entstan­den in den 1980er und 90er Jahren weitere Projekte, vor allem im Ullstein-Haus, in dem heute Mode statt Zeitun­gen produ­ziert wird.

Noch immer gehö­ren der Tempel­ho­fer, Mari­en­dor­fer und schließ­lich Lich­ten­ra­der Damm zu den verkehrs­reichs­ten, lautes­ten und engs­ten Haupt­ver­kehrs­stra­ßen Berlins. Aber Tempel­hof hat auch grüne Seiten, die Parks, die Grün­züge rund um den Kanal und viele versteckte grüne Orte. Etwas behä­big und bürger­lich ist Tempel­hof immer noch, wer sich jedoch darauf einlässt, der wird auch die andere Seite kennen­ler­nen, wenn er sie nur sucht.

Foto: Michael Kauer

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